Bis zum nächsten Camping auf direkter Strecke sind es laut Komoot 75 Kilometer (und somit real sicher über 80). Schaff ich das heute?
Ja, warum auch nicht. Die Strecke ist überwiegend eben, die Sonne scheint und ich habe Essen, Trinken und genug Strom (Powerbank voll). Also los.
In Teublitz, dem Dorf nebenan, findet in diesen Tagen das Bürgerfest statt. Während die Blaskapelle spielt, sitzen Menschen auf Bierzeltgarnituren, unterhalten sich, essen (Langos, Bratwurst und Pizza) und trinken (Softdrinks, Bier und Wasser). Es gibt eine Tombula (Hauptgewinn Vespa) und eine Hüpfburg für die Kinder. Einige tragen Dirndl bzw. Lederhose, fangen mit der Blaskapelle an zu schunkeln. Ein sonniger Sonntagmittag mitten in Bayern.
Ich fahre weiter, auf der Landstraße und auf Feldwegen. Ich durchquere den Ort Katzdorf im Kreis Schwandorf. Es wird davor gewarnt, dass der Eichenprozessionsspinner Allergien auslösen kann und Biber die Straße kreuzen.
Zwischen Landschaftsschutzgebiet und Autobahn gelange ich nach Nabburg. Zwischenstopp in einem Café.
„Vier Torten habi in der früh no gemacht.“ Außerdem noch in der Auslage: Rührkuchen, Apfelstrudel und Schmalzbebäck. Ich wähle eine Quarkspitze (das hier Vögerl heißt) und einen Milchkaffee. Die Quarkspitze ist, obwohl kalt, trotzdem frisch und saftig.
Am Nebentisch erzählen ältere Frauen, denen ich vorher die Eckpunkte meiner Reise geschildert habe, lautstark ihren neu dazu gekommenen Freundinnen: „Ja, die ist mit dem Fahrrad von Istanbul nach Leipzig … ja, hat wahrscheinlich so Auszeit genommen … .“
Ich ignoriere das Geschwätz und denke an den Tag meiner Geburt. Da gab es auch Quarkspitzen, zubereitet von meiner Mutter zum Geburtstag meines Vaters. Beim Kaffeetrinken setzen die Wehen ein, zusammen fahren sie mit dem Trabi in die Frauenklinik nach Zittau.
Am Nebentisch hat inzwischen das Thema gewechselt, jetzt eine gemeinsame Bekannte, die Alzheimer hat.
Ich fahre weiter, im glänzenden Sonnenschein.
Beim Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald ist eine Bahnschranke geschlossen. Zwei andere Radfahrende kommen dazu und fragen mich, ob ich schon gerufen habe. Nein, hab ich nicht.
Sie drehen den Schalter um, eine Stimme sagt, dass wir warten sollen. War das jetzt eine echte Person? Ja, sagen die beiden anderen. Und tatsächlich, nachdem ein Zug durchgefahren ist, meldet sie sich wieder: „Das war der Alex. Ich öffne jetzt.“ Wir können weiter fahren.
Seit heute Morgen ist immer ein Fluss (die Naab) in der Nähe, zwischenzeitlich wird dieser mir mit einer Brückensperrung zum Verhängnis.
Doch nach 86 gefahrenen Kilometern ist es geschafft und ich erreiche den Camping in Neustadt an der Waldnaab. Während die Sonne untergeht, zieht in der Nähe ein Gewitter vorbei, es regnet leicht. An einem Unterstand esse ich Abendbrot, im Dunklen baue ich das Zelt auf. Alles gut sichern, könnte nochmal was runterkommen heut Nacht. Und duschen, das ist auch gut, ebenso wie schlafen.