Über Ausschlafen, Kleidung waschen, Mails beantworten und Blog schreiben wird es so spät, dass ich beschließe, heute nicht mehr über den Fernpass (mit 820 Höhenmetern) zu fahren, sondern nur zwanzig ebene Kilometer bis nach Zams. Auf dieser Reise entscheidet die Zeit, nicht die Kraft darüber, wie weit ich komme.
Zuvor habe ich in den Bedingungen der Hausratversicherung gelesen, dass der Diebstahl von Einzelteilen am Fahrrad (und somit unsere gestohlenen Sättel) nur erstattet werden, wenn sie mit dem ganzen Fahrrad abhanden gekommen sind. Antragstellung leider zwecklos, Augen auf bei der Versicherungswahl.
Vorbei am Zammer Lochputz, einer Klamm mit Kneipanlage, Spiegelhöhle und Spielplatz fahre ich weiter am Inn entlang Richtung Nordosten.
Eine liebliche Landschaft mit blühenden Wiesen und Holzhütten unter schroffen Felswänden.
In den Dörfern haben einige (nicht alle) Häuser Fassadenbemalungen und dunkle Holzbalkone.
Jetzt, nachdem der Regen vorüber ist, kommen mir kleine Traktoren mit angekoppelten Heuwendemaschinen entgegen. Und so viele, viele Radwander*innen. Falls sich irgendjemand mal einsam fühlen sollte, empfehle ich eine Tour auf der Via Claudia. (Man braucht auch nicht wirklich Rad zu fahren, kann sich ja heimlich mit dem Bus hin- und herfahren lassen. Aber Rad, zum Vorzeigen, sollte man dabei haben). Man setzt sich sodann an einen der Rastpunkte und kann den ganzen Tag Menschen grüßen, kennenlernen und quatschen. Ich selbst bin in dieser Hinsicht eher zurückhaltend, weil Reise-Smalltalks (wenn auch manchmal hilfreich und interessant) sehr zeitaufwändig sind.
Es sind auch einige Pilger*innen unterwegs, für kurze Zeit verläuft ein Jakobsweg auf selber Strecke.
Es lässt sich sicher gut beten und in sich gehen hier, aller paar hundert Meter steht am Wegesrand ein Holzkreuz, eine kleine Kapelle oder ein Brunnen mit Heiligenfiguren.
In Zams fahre ich in ein Gewerbegebiet, kaufe einen neuen Waschbeutel, Waschmittel für Funktionsbekleidung und eine Gaspatrone ein. An einer Tankstelle Luft nachfüllen, straffe 4,5 Bar. Mal sehen, ob es damit schön einfach rollt oder zu sehr schüttelt.
Die Zeiten des einfach zu bekommenden pane integrale (Weizenvollkornbrot) und der Lupinen (Hülsenfrüchte) sind endgültig vorbei, dafür gibt es jetzt wieder Molkereiprodukte ohne extra Zucker (in Italien kaum zu finden) und vorgekochte Eier (Jauseneier).
Meinen jüngsten Neffen (bzw. eher seine Eltern) anrufen, hat heute Geburtstag. Dabei erfahre ich, dass sie nächste Woche in den Urlaub fahren, Nürnberg als Zwischenetappe kann ich jetzt streichen ☹️.
Eine Frau auf Warmshowers hat sich noch per Mail gemeldet (sportliche Omi, wie sie sich nennt), aber jetzt ruft sie keine Mails mehr ab und geht auch nicht an ihr Telefon (später schreibt sie, dass sie das Handy lautlos hatte, weil sie eine App nervt).
Also Fahrt zum nahen Campingplatz, der sich hier Aktiv-Camping nennt. Der bietet für Radfahrende auch einen eigenen Tarif, zehn Euro die Nacht (kann ich natürlich nur begrüßen). Es sind fast nur Niederländer*innen da, im Sanitärgebäude hängen Schilder, die nur auf niederländisch verfasst sind.
Essen, duschen und vorbereiten, sonst nichts weiter.