Heute morgen meldet sich die AOK. Die abgegebenen Unterlagen zur Auslandskrankenversicherung sind wieder aufgetaucht. Jetzt, drei Monate später, ist vorerst sichergestellt, dass ich im deutschen Krankenversicherungssystem nach meiner Rückkehr auch wieder aufgenommen werde. Das ist doch mal gut.
Ich habe Halsschmerzen, aber ein paar (langsame) Kilometer möchte ich trotzdem vorwärts kommen. Alles im Slow-Motion-Modus, erst um zwei fahre ich ab.
Auf der Via Claudia, Abschnitt Vinschgau-Radweg reihen sich die Hinweisschilder zur Strecke, zu Servicepunkten und zu regionalen Sehenswürdigkeiten aneinander. Kaum ein Kilometer, da kommt schon die nächste Rad-Bar, das nächste Restaurant, eine Raststätte oder Trinkwasserstelle. Wenn der Belag wechselt, von Asphalt zu Schotter, wird man extra darauf hingewiesen. Oder wenn man eine öffentliche Straße überquert. Kein Wunder, dass dieser Fernradweg nach dem Donauradweg zu den beliebtesten Strecken überhaupt gehört.
Über den Asphalt huschen Eidechsen, ich fahre Schlangenlinien, um keine von ihnen zu überfahren (ein paar tote und schwanzlose Exemplare weisen darauf hin, dass die Eidechsen oder Radfahrer*innen nicht immer schnell genug reagiert haben).
Mountainbike-Gruppen (mit Guide) und Downhill-Fahrer*innen (mit kompletter Schutzausrüstung) kommen mir entgegen. Einige tragen auf ihren Helmen eine Go-Pro, jeder Meter wird festgehalten. Bin ich bestimmt auch mit drauf.
Die meiste Zeit geht es durch Apfelplantagen und kleine Dörfer, nur zwischen Göflan und Laas gibt es einen Abschnitt im kühlen, dunklen Wald.
Viele grüßen gut gelaunt, wenn sie mich sehen. Alle irgendwie im Urlaubsmodus hier.
Ich versuche nicht zu sehr ins Schwitzen zu kommen, weil mich sonst der Fahrtwind und die kühle Luft vom Etsch her frösteln lassen. Ich überlege die Windjacke anzuziehen, aber unter der würde ich erst so richtig durchweichen, weil die Sonne, die wärmt ja auch. Es ist wahrscheinlich besser, wenn man hier statt eines Merino-Shirts irgendein winddichtes, aber atmungsaktives Hightech-Shirt trägt, um sich nicht zu erkälten. Hab ich aber nicht.
Auf den Burgen und an Raststätten rot-weiße Fahnen, Südtirol olé. Gesprochen wird fast nur in deutsch, fühlt sich hier (noch in Italien) schon an wie in Österreich oder Bayern.
In Laas wird Mamor abgebaut, kann man in einem Schaubergwerk ansehen. Es gibt auch ein Sägewerk, das Holz duftet wunderbar.
Ich beschließe aus Rücksichtnahme auf meine Gesundheit heute früh abzubrechen. Gehe in den nächsten Supermarkt und kaufe Hühnersuppe. Der örtliche Campingplatz, Pech gehabt, kein Platz mehr frei. Heißt doch weiterfahren, elf Kilometer in den nächsten Ort.
In Prad am Stilfserjoch angekommen, gibt es nur zwei Luxus-Campingplätze, mit Swimmingpools und allen möglichen Ausstattungsmerkmalen, die ich sowieso nicht brauche (wie zum Beispiel Kinderanimation). An den Rezeptionen fragen sie routiniert als erstes nach dem Ausweis, anstatt zu prüfen, ob sie überhaupt noch Platz haben oder den Preis zu verraten. Auf Nachfrage hat der erste für schlappe 25 Euro grad noch so ein ganz kleines Fleckchen für mich, der zweite (selber Preis) ist auch sehr voll. Ich bin total genervt vom Schicki-Micki-Massentourismus und den sinnlos hohen Preisen.
In der Dämmerung koche ich die Hühnersuppe, zusammen mit dem Vinschger Paarl (in einer örtlichen Bäckerei bekommen), schmeckt die ganz gut.
Wenn es irgendwie geht, morgen weiter, über den Reschenpass bis nach Österreich, das wäre gut. Weit ist es nicht mehr bis nach Füssen, nur 166 Kilometer und 2.230 Höhenmeter. Germany, ich komme.