Mit mir sind gestern ein Vater und seine zwei Söhne (ebenfalls mit dem Fahrrad) auf dem Campingplatz angekommen. Anschließend haben sie (so wie ich) über eine Stunde Essen in sich hineingeschoben. Heute morgen haben sie die Nahrungsaufnahme fortgesetzt, wieder mussten große Essensberge dran glauben. Alle drei sind, wohlgemerkt, spindeldürr. Wie viel man doch isst und (scheinbar) braucht, wenn man den ganzen Tag in Bewegung ist.
Da mein Zelt genau neben ihnen steht, kann ich auch beobachten, wie sie ihre Sachen packen. Wie sie immer wieder irgendetwas doch noch draußen haben, was eigentlich ganz unten in eine der ganzen Taschen gehört. Wie sie umschichten und neu ordnen. Beim Puzzlespiel aus Ausstattung und Verpackung sind sie auf jeden Fall blutige Anfänger, scheinen noch nicht lang unterwegs zu sein die drei. Bei mir geht inzwischen alles ratzfatz, jeder Gegenstand hat seinen festen Platz. In zehn Minuten ist gepackt, in weiteren zehn das Zelt abgebaut. Beladen dauert maximal fünf Minuten. Was doch Gewöhnung und Übung ausmacht.
Ich fahre zurück zum Etsch, an dessen traumhaft ausgebauten Radweg. Fünfundzwanzig ebene Kilometer geradeaus, unterbrochen nur durch einen kurzen Zwischenstopp an einem der Stände, die den Radfahrenden typische, regionale Produkte anbieten. Ein kleines Glas Marmelade kostet sieben Euro (lass ich lieber), aber die Äpfel (Heurige) und Birnen sind richtig günstig (1,70 Euro/Kilo). Kein Wunder, das ganze Tal ist ja voll davon.
Die Brennerautobahn rauscht neben mir, die Felsen wechseln die Farbe von grau zu rötlichem braun. In nicht allzu großer Entfernung sind jetzt die Alpen zu sehen, mit Schneeflecken auf den kahlen Massiven.
In der Nähe von Bozen halte ich an einer der Sitzgelegenheiten (mit Trinkwasserstelle) und esse Mittag (übrige Spagetti mit Pesto von gestern). Ich beschließe nicht in die Stadt reinzufahren und auf die Besichtigung des ca. 5.250 Jahre alten Ötzi zu verzichten. Kann ich vielleicht später noch nachholen, ich möchte jetzt langsam mal nach Hause.
Heute, am Sonntag, fahren auf dem Radweg viele Familien. Kleine Kinder, aber auch sehr alte Menschen strampeln vor sich hin. Durchtrainierte und Beleibte, auf schicken E-Mountainbikes, Renn- oder auch alten Damenrädern, alle möglichen Menschen- und Fahrradtypen zu sehen. Das gefällt mir, wie so ein Radweg (wo sich alle sicher fühlen), zum Ausflug auf zwei Rädern einlädt.
In Meran biege ich doch mal kurz ab und drehe eine Runde in der Stadt.
Das ist ja schick hier, sieht richtig herrschaftlich und nach einem Kurort aus. Zahlreiche Schilder weisen Richtung Thermen, ist wohl die Hauptattraktion hier. Ich trinke den bisher teuersten Espresso in ganz Italien (1,30 Euro) und gehe die letzten dreizehn Kilometer nach Naturns an.
Der Etsch ist jetzt ein wilder, laut rauschender Gebirgsfluss. Das kommt gerade richtig, denn meine Kette quietscht und nervt (habe jetzt weder Lust noch Zeit das Öl rauszukramen).
Es geht steil nach oben, ich beginne vor Anstrengung zu schwitzen und zu zittern. Ein kühler Wind kommt mir entgegen. Ich halte, um Zucker in Form von Multivitaminsaft zu mir zu nehmen. Oh je, wenn das so weitergeht, komm ich erst im Dunkeln an.
Geht aber nicht immer so weiter, acht Kilometer verlaufen dann wieder eben. Ein Speckmusem, eine Raftingstation und eine Seilbahn. Auf italienisch heißt Seilbahn Funivia, passt super, könnte man auch als den spaßigen Weg übersetzen.
Am ersten Campingplatz schickt man mich weg, sie nehmen ausschließlich Camper (sie würden sonst mit den Preisen nicht hinkommen, sie vermieten nur ganze Parzellen).
Auf dem zweiten Platz komme ich in einen extra Bereich, nur für Radfahrende mit Zelt. Über 500 Gäste sind insgesamt da, es gibt eine Schwimmhalle (außen und innen), Wäscheräume, Aufenthaltsräume mit Spielen für Kinder und Erwachsene, abschließbare Kühlfächer, Mietbadezimmer und vieles mehr.
Als ich in der Dämmerung esse, leuchten oben auf den Bergen die Lampen einzeln stehender Häuser auf. Sie sehen aus, als würden sie zum Sternenhimmel gehören. Ich bekomme leichte Halsschmerzen, bestimmt, weil es hier jetzt manchmal kalt zieht und nachts deutlich abkühlt. Ich beschließe es morgen lieber langsam anzugehen, so lange schlafen wie möglich, Tee kochen und viel trinken. Das wehrt hoffentlich eine Erklärung ab.