Auf dem Campingplatz sind fast ausschließlich Niederländer*innen, ein paar Italiener*innen, aber keine Deutschen. Hatte gestern schon Luigi erzählt, nach Travolt kommen fast nur Niederländer*innen, warum auch immer.
Um neun habe ich gepackt und erstelle mit dem WLAN der Bar am See den Beitrag zu gestern. Eine halbe Stunde später fahren wir los, mit dem Auto von 450 auf 700 m.ü.M. zum Lago Santo und Lago di Lamar.
Wie still und friedlich es oben ist, die beiden türkisen Bergseen, ein paar wenige Badegäste, nur Vögelzwitschern zu hören. Schilder weisen darauf hin, dass es hier eine Bärenkollonie gibt. Am Hang des hinteren Sees befindet sich ein Einstieg zu einer Höhle, die geht 370 Meter in die Tiefe. Sie ist natürlichen Ursprungs, manchmal trauen sich Kletterer hinein.
Wir trinken einen Cappuccino in der Bar nebenan und Luigi erzählt, wie sich alles verändert hat. Erst eine Hippiekollonie von Österreichern oben im Wald, dann das Ferienlager und eine Diskothek. Gibt es alles nicht mehr, dafür jetzt zwei kleine Parkplätze (10 Euro/Tag), ein Restaurant mit Bar, eine zweite Bar und ein parkähnliches Wäldchen.
Wir gehen noch in der anderen Bar vorbei, Luigino (wie er von allen aus dem Dorf genannt wird), möchte noch kurz hallo sagen. Die Betreiberin kommt aus der Toskana, hör doch mal, sagt er lachend, wie sie prendere (nehmen) ausspricht. Kurze Zeit später fahren wir zurück nach unten. Abbiamo fatto un bel giretto, siamo contenti (Haben eine schöne kleine Runde gedreht, wir sind glücklich).
Um 11:23 Uhr fahre ich los, war manchmal auch schon ohne Ausflug später. Es geht nach oben, erst auf Asphalt, später auf keinen Pfaden. Der Weg wird immer kleiner, steiler und holpriger, Insekten umschwirren mich. Bremsen tauchen auf, wollen mich stechen. Ich zweifle schon, ob es eine gute Idee war, diesen Weg zu nehmen. Trotzdem kann ich es (noch) genießen, hier allein hochzufahren bzw. zu schieben.
Nach anderthalb Stunden ist es geschafft, ich stehe oben auf dem Berg am Aussichtspunkt. Nur, Problem, auf der anderen Seite verläuft der schmale Pfad nach unten direkt am Felsen und am Abhang entlang. Ich habe Luigi noch gefragt, ob ich mit dem beladenen Fahrrad hier runter kann (wie von Komoot vorgeschlagen). Er meinte, geht schon, muss ich vielleicht schieben. Aber selbst zu Fuß hätte ich Bedenken, mit dem bepackten Fahrrad ist es unmöglich. Ich bin vielleicht hart im nehmen, aber lebensmüde? Nein.
Ich überlege kurz, ob ich alles abpacke und langsam einzeln runtertrage. Aber selbst das erscheint mir gefährlich. Auf jeden Fall wäre es eine langwierige und anstrengende Angelegenheit. Einen andern Weg gibt es nicht, ich muss zurück ins Dorf und dann einen weiten Bogen über befestigte Straßen nehmen.
Meine Vorräte sind fast aufgebraucht, die Läden haben inzwischen (nach 13 Uhr) zu. Ich esse den letzten Rest Käse auf (geht in der Not auch ohne Brot). Langsam kämpfe ich mich erneut nach oben, von 450 auf 820 Höhenmeter.
Die Abfahrt nach Trento ist herrlich. Serpentinen und wunderbare Aussichtspunkte. Gerade finden Vorbereitungen für ein Motorsportrennen satt, die Rennautos werden auf einem Anhänger zum Start gebracht.
In Trento spare ich mir eine Runde in der Stadt und fahre direkt auf dem Radweg am Adige entlang Richtung Norden.
Nach einem Supermarkteinkauf Zwischenstop an einer Gelateria, Motivation für die letzten (ebenen) 25 Kilometer.
Ich verstehe nur nicht, warum hier selbst eine Kugel immer so riesig sein muss, bekommt man doch nen Zuckerschock von. Am liebsten würde ich die Hälfte wegschmeißen, aber das macht man doch nicht mit leckerem Essen.
Entlang des Flusses fahre ich zügig und komfortabel durchs breite Tal. Autobahn, Landstraße, Eisenbahn, Fluss, Apfel- und Weinplantagen. Rechts und links geht es steil nach oben.
Die Ortsnamen auf den Straßenschildern stehen jetzt auf italienisch und deutsch da, mein heutiger Campingplatz heißt „Obstgarten“. Was für ein Gefühl nach fast vier Monaten wieder im deutschen Sprachraum angekommen zu sein.
Während ich Spagetti koche, denke ich mir, das war ja mal ein Tag. Vor allem, ich trau es mir ja kaum zu sagen, ich hätte es wahrscheinlich viel leichter haben können. Satt vom Gardasee über Sarche zu fahren, hätte ich nach Mori und Rovereto (und direkt zurück an den Etsch) gelangen können.
Aber mal lieber auf die Gegenwart schauen. Zum Beispiel das jetzt gutes Wetter ist und die Sanitäranlagen heute richtig modern und sauber sind. Da verbringe ich doch gern mal anderthalb Stunden im Bad.
Morgen geht es weiter, mindestens in die Nähe von Bozen. In der Stadt zu übernachten, werde ich mir wohl sparen, das günstigste Zimmer kostet bei booking 80 Euro und die Jugendherberge ist ausgebucht. Auch auf den Campingplätzen könnte es schwierig werden, im Obstgarten habe ich heute gerade noch einen Platz bekommen.