Gestern Abend habe ich bei Instagram eine Oma entdeckt. Die fährt mit ihren 61 Jahren seit zwei Jahren durch Afrika, gerade eben ist sie in Gabun. Wie cool ist das denn.
Am Morgen werden wir durch Glocken geweckt. Das geht heute den ganzen Tag so, aller ein paar Stunden läutet es. Ist ja auch Sonntag.
Zehn Grad Temperatursturz, von 34 auf 24 Grad. Ist trotzdem warm, schwül, es nieselt.
Wir gehen als erstes zum Bahnhof. Ein Ticket für die Fahrradmitnahme bekommen wir leider auch am ÖBB-Schalter nicht. Morgen um 13 Uhr geht Olafs Zug, mal sehen, wie ich dann das Fahrrad verschickt bekomme.
Ab in einen Supermarkt, der auch am Sonntag geöffnet hat. Haben eine Mikrowelle in der Unterkunft, da können wir Mittagessen.
Der Etsch, an dessen Mündung wir vor neun Tagen an der Adria standen, spannt sich in einem weiten Bogen um die Altstadt von Verona. Wir gehen am Ufer entlang, vorbei am Castelvecchio. Wie groß hier die Uhren an den Türmen sind, bestimmt drei Meter im Durchmesser.
In Verona haben die Häuser schmiedeeiserne Balkone, darauf stehen Blumenkübel mit blühenden und rankenden Pflanzen. Viele Kletterpflanzen an den Fassaden und Mauern, das ist auffällig schön. Über die Piazza delle Erbe, auf einer Säule thront ein Markuslöwe (leone marciano). Hier, dreißig Kilometer vom Gardasee entfernt, sind wir noch immer in der Region Venezien.
In den Restaurants und Pasticcerien gibt es viele Speisen, die man auch in Deutschland kennt: Gnocchi-, und Polentagerichte, Tiramisu und Apfelstrudel (Österreich, ich komme!). Vielleicht ist der langsame kulturelle Übergang, der sich kulinarisch, aber auch architektonisch zeigt, einer der schönsten Aspekte am Radreisen. Eine langsame Annäherung, bei der sich die Dinge mischen, bevor sie irgendwann verschwinden. Einen echten Bruch habe ich nur empfunden, als ich über das Mittelmeer übergesetzt bin.
Viele Menschen, darunter wahrscheinlich hauptsächlich Tourist*innen, strömen durch die Gassen. Die Läden haben auch zum Sonntag auf, lohnt sich.
Vor dem Haus der Giulietta hat sich eine Traube gebildet, in den Innenhof möchten alle mal rein. Außen wurden die Wände mit Kaugummis und Inschriften „verziert“, im Durchgang und Innenhof hängen handgeschriebene Zettel. Meistens wurden einfach nur die Namen notiert, mit Plus, Herz und Datum drauf. Oben auf dem Balkon, zu dem man mit sechs Euro Eintritt gelangt, wechseln aller paar Sekunden die Julias. Schnell ein Selfi oder Foto, dann ist auch schon die nächste dran. Der zweite wichtige Fotopunkt, bei einer Bronzefigur der Giulietta. Sie greifen ihr an die rechte Brust, die leuchtet richtig blankpoliert. Dabei ist das alles streng genommen Fake, niemand weiß, welches Haus genau Shakespeare meinte. Und der Balkon wurde in den 30er Jahren für Tourist*innen angebaut (war vorher ein Sarkophag).
Wir gehen weiter durch die Altstadt, über den Fluss bis hoch zu einem Aussichtspunkt.
Dort sehen wir nicht nur den Fluss und die Stadt unter uns, sondern auch ein paar Bergspitzen der Alpen.
Zurück in der Innenstadt schauen wir beim Dom und den Scaliger-Grabmälern vorbei.
Die Sarkophage, in denen ehemalige Stadtherren bestattet sind, stehen auf verzierten, steinernen Säulen hinter einem spitzen Eisengitter. Hab ich noch nie gesehen, Gräber in luftiger Höhe.
Wir gehen zur Arena, möchten wir uns nochmal anschauen. Fragen hier nach den Ticketpreisen für AIDA von Verdi, geht bei 25 Euro los. Zum Abschluss Essen gehen oder Oper?
Der Wetterbericht sagt voraus, dass es nicht mehr regnen soll. Wir holen uns Karten und suchen nach etwas zu essen. Gar nicht so einfach, auf die Schnelle, soll ja auch einigermaßen gesund sein. Letztendlich wieder in den Supermarkt, Sandwich, Bohnensalat, Nüsse und Kekse, die wir im Park hastig verspeisen.
Am Eingang habe ich Glück, mein Klappbesteck mit scharfem Messer wird nicht gefunden, nur die Metallflasche wird uns abgenommen (können wir später wieder abholen). Um 21 Uhr, da soll es losgehen, nieselt es.
Die Zuschauer*innen werden um Geduld gebeten. Als es aufhört, wird die Bühne getrocknet, eine Frau schlägt einen Gong, das Publikum jubelt. Es fängt wieder an zu nieseln, das Orchester verlässt die Bühne. Sie kommen und gehen, Nieselregen, Trocknen, Nieselregen, Geduld, Geduld. Kurz vor 23 Uhr geht es los.
Das Bühnenbild, das ist schon sehr schön. Integriert sich gut in die Arena. Und der Chor, aus über 80 Personen, der ist mit all den Kostümen und Bewegungen ebenfalls beeindruckend. Alles ohne Verstärker, auf einer Leinwand steht der Text auf italienisch und englisch. Doch irgendwie schläfert mich das Ganze ein, der Gesang und die zarten Klänge. Ich bin so unglaublich müde, aber auf den eng besetzten Steinsitzen (45 cm hoch, 45 cm breit) kann ich nicht wegbutzeln. Und so gehen wir nach dem zweiten Akt, möchten morgen ja auch früh aufstehen.
Als wir um eins im Bett liegen, erschrecken wir. Plötzlich ein lautes Rauschen vor dem Fenster, Licht an. Ah, ist nur die Bewässerungsanlage. Dabei hat es heute doch fast den ganzen Tag geregnet.
Hallo Jule, wir haben Deinen Blog erst vor paar Tagen entdeckt. Das ist ja toll, was Du Dir zutraust, und dann meist noch allein! Du schreibst interessante Berichte und machst tolle Fotos. Langsam kommst Du in die Gegenden, die wir auch kennen (natürlich mit dem Auto „erfahren“). Wir wünschen Dir viel Gesundheit und Durchhaltevermögen und uns weitere tolle Berichte und Bilder! Herzliche Grüße senden Carmen und Wolfgang
Hallo Wolfgang und Carmen, vielen Dank und herzliche Grüße zurück 👋