Um zum Wasserbusbahnhof zu gelangen, nehmen wir das Fahrrad. Dort stehen bereits hunderte von älteren City- und Hollandrädern, fein säuberlich aufgereiht in Felgenständern. Wir nehmen das nächste freie Verkehrsschild und schließen an, was anzuschließen geht. Ein mulmiges Gefühl bleibt trotzdem.
Wir kaufen uns ein Zweitagesticket (pro Person 30 Euro) und suchen den richtigen Anleger. Im Minutentakt fahren Wasserbusse (Vaporetti) von dreizehn verschiedenen Linien vor, Menschenmassen quetschen sich auf die schwankenden Plattformen. Hohe Wellen auf der türkisen Lagune, viele kleine und große Motorboote kreuzen. Der Fahrer hupt und klopft gegen die Scheibe, damit sich ein Tourist (der Fotos machen möchte) wieder hinsetzt.
Am Anleger S. Zaccaria steigen wir aus und gehen über die Ponte della Paglia (mit Blick auf Seufzerbrücke) zum Markusplatz.
Straßenhändler schieben ihre großen, mit Strohhüten, Sonnenschirmen und Armbändern bedeckten Karren über den Platz (nur nicht stehenbleiben, sonst wird’s ein fester Stand). Andere, dem Aussehen nach zu urteilen Pakistanis, haben Taubenfutter in den Hosentaschen. Das drücken sie fraglos in die Hände von erstaunten Tourist*innen, die daraufhin angeflogen werden und Fotos mit den Tieren schießen.
Wir stellen uns in die Schlange vor der Basilika di San Marco. Olaf zieht seine kurze Hose extra weit runter, ich sage, bei den ganzen Beinhaaren, das ist doch auch ne Art der Bedeckung. Nach kurzer Zeit dürfen wir passieren, mit unseren Beuteln (Rucksäcke müssen abgegeben werden), kurzer Hose bzw. knielangem Rock und ohne Eintritt zu zahlen. Das ist ein bisschen wie bei einer App, die Grundausstattung gibt es kostenlos, für die Proversion (Gruft, Kuppeln, Rundgang in den oberen Geschossen) muss man jeweils extra zahlen.
Doch die Kirche von innen, die reicht eigentlich schon. Wunderschöne, mit Gold verzierte Mosaike soweit das Auge reicht, der Mamorfußboden ebenfalls kleinteilig gestaltet. Sehr, sehr prachtvoll. Immer wieder schallt es „no foto, no foto“, ansonsten ist es trotz der vielen Menschen erstaunlich still.
Wir gehen weiter durch die engen Gassen und über die kleinen, mit Gondeln gefüllten Kanäle bis zur Rialtobrücke.
Manchmal herrscht enges Gedränge und dann biegen wir um eine Ecke und sind plötzlich vollkommen allein in einem dunklen Gang oder auf einer weniger frequentierten Brücke.
Als wir den Canal Grande erreichen, kommt gerade die Polizei auf dem Boot vorbei, rasend schnell und mit dem gleichen Warnsignal wie auf dem Land. Alles funktioniert im historischen Zentrum ausschließlich mit Boot und Karren, auch der Gepäck-, Waren- und Krankentransport sowie die Müllabfuhr.
Wir fahren mit dem Wasserbus weiter bis zum Bahnhof (Züge fahren über den schmalen Verbindungssteg, der die Altstadt mit dem Festland verbindet). In der Tickethalle würde ich mich gern mal hinsetzen, aber hier gibt es ebenfalls keine Sitzgelegenheiten und das Sitzen auf dem Boden ist (wie überall in der Stadt) verboten.
Olaf kann bei Trenitalia kein Rückfahrticket von Verona nach München kaufen, es handelt sich um einen österreichischen Zug. Auf der Website des ÖBB sind die Fahrradplätze bereits ausgebucht, wir beschließen es nächste Woche mit einem Logistikunternehmen zurückzuschicken.
Nun erstmal kurz in einen Supermarkt für Limo und Erdnüsse (jedem/jeder das seine/ihre), raus geht’s nur mit dem Scannen des Kassenbons. Beim Stadtbummel wiederholen sich ähnliche Läden immer wieder, venezianische Masken, Lederwaren und Glas aus Murano. Dazwischen ein paar Shops der großen Marken, unscheinbar in Palazzi versteckt, große Werbeschilder sind anscheinend nicht zugelassen. Die gesamte Wirtschaft der Altstadt, habe ich gelesen, ist schon seit 100 Jahren ausschließlich auf den Tourismus ausgerichtet.
Am Abend wird es stiller und einsamer in der Stadt, plötzlich ist nur noch eine Opensängerin und das Plätschern von Fischen im Kanal zu hören.
Doch um so näher wir dem Markusplatz wieder kommen, um so mehr Menschen tauchen wieder auf.
Der Platz und die ihm umschließenden Gebäude sind wirklich beeindruckend.
Zurück mit dem Wasserbus, diesmal ist es ein kleines, sehr tiefliegendes Boot. Kurzer Moment der Spannung, Fahrräder sind noch da.
Am Abend zieht hinter den Zelten und Campingplatzgebäuden ein Kreuzfahrtschiff vorüber, das überragt alles.
Morgen werden wir uns die Biennale anschauen, einer der Gründe warum wir den Bogen nach Venedig geschlagen haben.