Durch den Sand führt ein schmaler, glatt gepflasterte Weg über 200 Meter bis zum Wasser. An den Seiten so weit das Auge reicht Strandliegen, fast alle belegt.
Jedes Hotel hat seinen eigenen Abschnitt, erkennbar an unterschiedlichen Farben der Schirme und großen Hinweisschildern. Da ich den vom Hostel nicht gleich finde und auch nicht sicher bin, ob sie auch wirklich einen haben, lege ich mich einfach bei Strand Nr. 106 hin. Das Wasser aufgewühlt von hohen Wellen. Pflanzenteile, Algen und kleine Plastikstücke schwimmen darin. Kein blaues, sondern ein braunes Meer. Während ich reingehe schlagen und schlingen sich irgendwelche Dinge um meine Beine, ich ekel mich.
Das Wasser ist außergewöhnlich warm, 26 Grad (Durchschnittswert im August ist 24). Wenn man den Salento gesehen hat, mit seinen klarem Wasser, den weiten und wenig besuchten Stränden, dann kann das hier nur enttäuschen.
Aber ich kann verstehen, warum hier so viele Urlaub machen: es ist nicht so ab vom Schuss und es gibt alles. Flacher, ausschließlich sandiger und von Bademeistern bewachter Zugang ins Wasser, Boulebahnen, Tanzflächen (gerade wird Cha-Cha-Cha unterrichtet), Umkleidekabinen, Toiletten und vieles, vieles mehr.
Das alles gab es in Nordalbanien nicht, da konnte man nur frei laufende Kühe auf den Sandbänken beobachten. Aber dort, in Baks-Rrjollë, habe ich auch das erste Mal live gesehen, wie erschreckend der Zustand des Meeres ist. Im Gegensatz zu hier wird das Meer nicht für die Touristen durch Filteranlagen geschickt und der Strand wird auch nicht regelmäßig vom Plastikmüll befreit. Die ökologische Katastrophe ist direkt sichtbar. Dabei ist die Verschmutzung der Meere nur ein Punkt der vielen Umweltprobleme, die das Leben auf der Erde mit jedem Tag ein bisschen mehr bestimmt. Jede Woche nehmen wir Mikroplastik in der Größe einer Kreditkarte zu uns. Welche Folgen das genau hat, weiß niemand genau.
Aber faul im Sand liegen, das ist doch auch schön. Auf jeden Fall angenehmer als bei über 30 Grad mit einem Fahrrad über die Berge zu fahren. Ich genieße die frische Brise, träume den ganzen Nachmittag vor mich hin und beobachte eine einzelne Möwe am Himmel. Sie ist ganz weiß mit schwarzem Kopf und rotem Schnabel. Ein Eismobil hupt, ein Strandverkäufer findet bei zwei älteren Damen Kundschaft für seine Tücher. Kinder spielen Ball oder bauen Sandburgen.
Im Hostel läuft eine Diskussionsrunde zum sozialen Leben in Hostels und Reiseblogs. Ich folge der Veranstaltung kurz, bevor ich mich der Handwäsche der Kleidung widme.
Am Abend fahre ich so wie gestern wieder in die drei Kilometer entfernte Innenstadt. Vom Meer aus gibt es einen schönen asphaltierten, durchgängigen Weg durch den Park bis zum Stadttor. Das hat schon Lebensqualität. Allerdings sucht man leider vergeblich Fahrradabstellanlagen und so schließe ich das Fahrrad an einem Mannheimer Gitter an. Die daneben stehenden Sicherheitsbeamten sagen nichts.
Im Teatro Amintore Galli habe ich im Programm vom UlisseFest gesehen, gibt es eine Fotoausstellung. Am Einfang Sektempfang, na, da sag ich nicht nein.
Die Fotos zeigen Alltagsszenen in Matera und Petra, beides steinige Weltkulturerbe-Stätten mit einer Jahrtausende alte Geschichte. Die Fotos sind so präsentiert, dass ähnliche Motive aus beiden Städten parallel auftauchen. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden dadurch besonders gut erkennbar. Sehr schön, auch wenn es merkwürdig ist, dass die meisten der bedruckten Kappaplatten schief hängen. Ein gelangweilter Sicherheitsmann versucht sie gerade zu rücken, aber sie rutschen immer wieder zurück in die falsche Position. Petante Menschen treibt diese Ausstellung ganz sicher in den Wahnsinn.
Draußen auf dem Platz wird ein Film über die „Reise“ von Flüchtlingen zu Fuß über dem Balkan gezeigt. Zwölf Tage über die Berge laufen ohne etwas richtiges zu Essen, ohne zu schlafen. Echt übel.
Ich gehe weiter durch die Stadt. Einer der Sponsoren des Festivals, ein Eisteehersteller, verteilt kostenlose Proben. Jetzt quellen die Mülleimer von den Büchsen über, die Leute fangen an sie einfach auf die Straße zu werfen. Das ist doch nicht richtig, wenn ein Unternehmen Werbung für sich machen darf und die Müllentsorgung der Kommune überlässt. Ein politisch lösbares Problem, wie so vieles was mit Verschmutzung durch auf maximalen Gewinn fixierte Unternehmen zu tun hat.
Hinter der Brücke wieder viele Menschen mit Weingläsern, ein Straßenmarkt mit Getränken und Street-Food. Viele essen Piadine, scheint DER Döner von Emilia-Romagna zu sein.
Einige sitzen an runden Tischen und Stühlen, aller ein paar Meter spielt eine Band. „Wild world“ wird gecovert, na, wirklich viel ist hier nicht wild. Vielleicht läuft deshalb immer überall laute Musik, sind die Frauen so knapp bekleidet und blinkt und glitzert alles. Ansonsten wäre es wahrscheinlich trist und langweilig. Mit einem Blick auf die Uhr schenke ich mir die im Hostel angekündigte Strandparty.
Jetzt bin ich schon irgendwie froh, dass ich morgen weiterfahre in Richtung Bologna. Es sind mir einfach zu viele Menschen auf engstem Raum hier.