Während ich frühstücke tauchen im Hostel alte Frauen auf. Sie fragen mich, ob sie ihre Taschen am Fenster abstellen können. Keine Ahnung, aber ich sag einfach mal ja. Sie haben riesige Mehltüten, Tomaten und haufenweise Parmesan mit. Auf ein großes Stück Papier schreiben sie, Oggi Mangiamo (Heute essen wir): Strozzapreti al ragú, Passatelli Pendolini Zucchine, Piadda Stracchino, Gratinati, Insalata und Dolce Contadino. Was das genau ist, weiß ich da noch nicht.
Aber sieht richtig gut aus, wie sie den Hostelgästen die richtige Zubereitung von zwei verschiedenen Teigsorten zeigen. An dem einen Tisch formen sie lange, raue Fäden, am anderen kleinen, gedrehten Nudeln. Wie schnell und geschickt die Omis sind und wie langsam und hilflos die jungen Workshop-Teilnehmer*innen.
Draußen scheint wieder die Sonne, ich genieße die Kühle und Ruhe des Hostels. Ich finde ein Programmheft von einem Festival übers Reisen, veranstaltet von Lonely Planet.
Klingt interessant, möchte ich hin. Ich buche erst eine Nacht länger im Hostel und suche dann nach einer weiteren Übernachtungsmöglichkeit von Samstag zu Sonntag in Ravenna. Das günstigste Einzelzimmer kostet 50 Euro, oh je. Ich schaue, was es hier so kostet. Das selbe Bett im Schlafsaal (für das ich letzte Nacht 14 Euro gezahlt habe) taucht jetzt für 24 Euro auf. Kurze Zeit später ist auch dieses komplett verschwunden, jetzt geht es bei 35 Euro los. Ich gehe schnell zur Rezeption und, Glück gehabt, ich bekomme ein Bett für 23 Euro. Jetzt in der Hauptsaison und am Wochenende, lerne ich, schießen die Preise auch mal schnell in die Höhe.
Erst spät verlasse ich das Hostel in Marebello, um mit dem Fahrrad in die Innenstadt von Rimini zu fahren. Am Meer entlang gibt es eine breite Fahrradspur, sehr viele fahren mit City- und E-Bikes darauf. Links neben mir ein Hotel an dem anderen, rechts Beachvolleyball-Plätze, Stände, Bars und Sonnenschirme.
Die einzelnen Strandabschnitte sind nummeriert, 60, 61, 62, 63, 63 a, 63 b und so weiter. Auf der Karte sehe ich, über 30 Kilometer geht das hier so.
Auf einer Bank liegt ein Mann, mit einem nassen Tuch auf dem Kopf und stöhnt leise vor sich hin. Hat bestimmt einen schlimmen Kater oder einen Sonnenstich, der Arme.
Angekommen am Piazza Cavour betreten gerade die beiden Podiumsgäste die Bühne, der Gründer von Lonely Planet Toni Wheeler und der Initiator der Slow Food Bewegung Carlo Petrini.
Vieles von dem, was sie sagen, ist vorhersehbar und nichts neues, aber Carlo Petrini begeistert nicht nur mich mit seiner Leidenschaft für ein Leben im langsamen Modus. Man solle doch als erstes das eigene Land, die eigene Küche wirklich kennenlernen, bevor man in weite Ferne reist. Er kommt auch gleich auf Klimawandel und Migration zu sprechen, was den Lonely Planet Gründer nicht do sehr interessiert. Auf das Beinah-Unglück eines Kreuzfahrtschiffes in Venedig angesprochen, antwortet Toni Wheeler nur, ja, sollen sie doch alle auf Kreuzfahrtsschiffen Urlaub machen, ist in den kleinen Gassen mehr Platz für mich. Ziemlich einfältig und rückwärts gewandt, dieser Gründer des Verlagsimperiums. Früher hatten seine Reiseführer Kultstatus, wer darin auftauchte konnte mit einem Ansturm von Backpackern rechnen. Heute nutzt sie kaum noch jemand, gibt ja Internet.
Luc, den ich im Hostel in San Marino kennengelernt habe, kommt mit seiner Schwester zum Platz und wir gehen in Nähe der Ponte d‘Augusto etwas essen.
Ich bestelle Strozzabreti (die gedrehte Pasta von heute morgen) und bekomme Passatelli (die wie Spätzle schmecken).
Natürlich weise ich darauf hin, dass da ein Fehler vorliegt, und, nicht schlecht, jetzt kann ich beides mal probieren.
Die beiden erzählen mir über ihre Heimatstadt, Sint-Niklaas, in dessen Nähe der Kartograf Mercator lebte und wirkte. Ein bisschen sind die beiden schon auch wie Deutsche, sie brauchen kein gemeinsames Wasser und keine Antipasti (wie in Italien üblich). Die Schwester lädt uns ein, sie sagt, wir Radfahrenden haben jetzt Urlaub. Stimmt irgendwie.
Die Straße ist voll Menschen, Musik dröhnt aus verschiedenen Richtungen, fast alle haben Weingläser in der Hand.
Es werden auch kleine Stoffbeutel zum Umhängen um den Hals verteilt, mit denen kann man das Weinglas noch besser transportieren.
An den äußerst beliebten Automaten kann man hier in Rimini auch Cannabis Light, Stringtangas und Alkoholtests für ein paar Euro kaufen. Aber obwohl das alles und dieser Massentourismus echt nicht mein Ding sind, finde ich es in Rimini gar nicht so schlecht. Es ist sehr sauber und mir scheint, dass die Einwohner*innen so sehr an Tourist*innen gewöhnt sind, dass sie nicht von ihnen genervt, sondern ein normaler Bestandteil ihres Lebens sind.
Morgen werde ich mich auf die Weiterfahrt am Sonntag nach Bologna vorbereiten. Vielleicht mal an den Strand gehen, ein Konzert vom Reisefestival besuchen.