Check-Out ist um zehn. Ich packe alles zusammen, stell das Gepäck im Vorraum ab und gehe zurück ins Zimmer. Mal sehen, ob und wann jemand vorbeikommt.
Mein Datenvolumen ist aufgebraucht, diesmal bin ich bereit nachzukaufen. Aber, Überraschung, nach dem Login „schenkt“ mir der Mobilfunkanbieter 10 GB dafür, dass ich die Einstellungen zu Werbemaßnahmen überprüfe.
Olaf ruft an und wir besprechen, wo wir ab Mitte nächster Woche lang fahren. Wahrscheinlich von Bolognia nach Verona und weiter nach Venedig, aber so richtig sicher ist das noch nicht.
Um elf kommt ein Mann vorbei. Ich frage, ob ich noch eine Stunde bleiben kann. „Certo“ (sicher), sagt er, und kommt mir dabei so nah, dass sich unsere Körper fast berühren. Erschrocken und angeekelt weiche ich zurück und denke dabei, diesen Zwerg, den niete ich doch mit einem Schlag um. Aber er scheint begriffen zu haben und geht nach einem kurzen Small-Talk wieder.
Nach der anspruchsvollen Tour von gestern lasse ich es heute ruhig angehen. An einer Obst- und Gemüseape schnake ich ein bisschen, der Verkäufer kommt aus Kalabrien.
Er sagt, hier oben kann er seine selbst angebauten Orangen, Kirschen und Rispentomaten wesentlich besser verkaufen. Nächsten Winter möchte er es in Luxemburg probieren, „da sind sie reich“. Er empfiehlt mir in Assisi vorbeizufahren, molto carino.
Nach 15 Kilometern halte ich an einer Bar mit angeschlossener Gelateria und bestelle einen Frappé.
Das ist allerdings nicht wie in Griechenland ein milchloser Eiskaffee, sondern ein Milchschake mit zwei Eissorten. Und so komme ich zu meinem ersten Eis in diesem Jahr, welches, wie zu erwarten war, sehr süß und lecker ist. Ich könnte gleich noch eins essen, aber ein Blick auf die allgegenwärtigen Hängebäuche genügt, um dem zu viel (diesmal) zu widerstehen.
Ich schreibe dem Hostel, um einen Late-Check-In anzufragen, aber niemand antwortet. Als ich anrufe, wird mir mitgeteilt, dass das sichere Abstellen des Fahrrades fünf Euro kostet. Diese Halsabschneider, das regt mich auf. Schon vor der Ankunft, während ich die Serpentinen nach Perugia hochfahre, überlege ich mir einen fiesen Text, den ich morgen bei booking.com als Bewertung hinterlassen will.
Das Flair in der Altstadt von Perugia, richtig schön.
Enge Gassen, die Häuser bunt gestrichen oder in Naturstein gehalten, tiefgrüne Fensterläden. Die öffentlichen Plätze gerahmt von Freisitzen und Bars.
Im Hostel erfahre ich, dass heute kostenfreie Indirock-Konzerte in den giardini del frontone stattfinden. Ich lerne Stefano, einen Mexikaner kennen und gemeinsam gehen wir uns los.
Auf der Piazza IV Novembre spielt ein klassisches Orchester, wir holen uns ein mit Käse, Tomaten, Rucola und Champions frisch belegtes Brötchen und lauschen kurz den harmonischen Klängen.
Weiter mit dem Fahrstuhl bergab und dann immer geradeaus durch eine lange, schmale Gasse.
Die erste Band ist eher experimental, aber der Barkeeper unterhält uns prächtig. Er scheint schon komplett betrunken zu sein, der freestyle eingeschenkte Vodka-Lemon besteht hauptsächlich aus Vodka. Auch den zweiten Drink nehmen wir bei ihm ein und feiern ihn, un bravo ragazzo.
Die zweite Band geht schon wesentlich mehr ab. Sie sind alt, sagen sie, gegründet 1994, über dem Gesicht Masken. Alle tanzen, Stefano schüttelt sein langes Haar. Als sich das Konzert dem Ende nähert, antwortet die Menge auf jedes „il concerto é finito“ mit „va fan culo“. Und grazie und prego. Wildes, hemmungsloses Tanzen auf dem Platz, einige ziehen in der Hitze ihre T-Shirts aus und schwenken sie über den Köpfen. Pogen, stage diving, was für ein Casino. Absolut großartig.
Auf dem Rückweg sehen wir, in der ganzen Stadt immer noch viele junge oder junggebliebene Menschen im giro.
Perugia ist Universitätsstadt, viele kommen aus dem Ausland hier her um zu studieren.
Im Hostel liegt bereits jemand in meinem Bett, ich nehme ein anderes. Morgen geht es weiter nach Assisi, zum Glück sind das nur dreißig Kilometer, inzwischen ist es halb vier.