Halb acht fahren die beiden anderen Radfahrenden los. Da sitze ich gerade im Schatten und wähle die Fotos vom Vortag aus. Dass ich mich noch nie überanstrengt habe, hat, denke ich, auch mit dem Blog zu tun. Rund zwei Stunden täglich arbeite ich daran. Zusammen mit Einkaufen, Essen, Packen, Waschen, Strecke planen und Sightseeing bleiben nicht so viele Stunden zum Radfahren. Aber es macht noch immer Spaß. Nicht nur, dass mein Körper sich dabei automatisch erholt und ich für mich selbst reflektieren und erinnern kann. Oft teilen auch Freunde, Familie oder Bekannte ihre Urlaubserinnerungen mit mir oder nehmen anderweitig auf das Geschriebene Bezug. Dadurch ist diese Reise etwas sehr soziales geworden. Ich bin dankbar und glücklich, dass dies möglich ist.
Um elf fahre ich los. Entlang der Via Tiberina fahre ich den ganzen Tag auf wenig befahrenen Straßen durch eine sehr grüne Landschaft.
Die Berge überzogen von dichten Wäldern, die Häuser aus Naturstein, Getreidefelder und Olivenbäume akkurat in Reih und Glied gepflanzt.
Am Straßenrand wachsen Lorbeersträucher und Aprikosenbäume.
Ich halte an und pflücke ein paar der reifen Früchte.
Es riecht nach frischem Heu. Wenn mir ein Mähdrescher mit Überbreite entgegen kommt, was oft passiert, dann fährt ein Auto vorneweg, aus dessen Fenster eine rote Fahne geschwenkt wird.
Ein Schild am Straßenrand weißt darauf hin, dass Amelia eine Cittàslow ist, eine Stadt, die versucht ihre Lebensqualität mittels kultureller Vielfalt und dem Erhalt der eigenen Werte hoch zu halten.
In Italien gibt es sehr viele Kleinstädte, die sich dem internationalen Netzwerk angeschlossen haben.
Da die Strecke anspruchsvoll ist, versuche ich mit Kopf und Verstand zu fahren. Das heißt: regelmäßig essen und trinken. Viele kleine Pausen und hohe Trittfrequenz.
Vor Todi geht es auf einer frisch asphaltierten Straße steil bergab, 30 km/h sind erlaubt, ich rausche mit 45 km/h runter. Ein Insekt klatscht an meinen Unterarm und zerschellt, wie an einer Windschutzscheibe.
Es folgt eine lange, sehr steile Rampe, die hoch auf den Berg nach Todi führt. Obwohl es schon kurz vor 20 Uhr und damit etwas kühler ist, weiche ich komplett durch.
Schweißgebadet erreiche ich einen Supermarkt, der gerade noch offen hat.
Die Stadt ist komplett von einer Mauer umgeben, durch deren Tore ich kleine Gassen mit Restaurant und Läden entdecke.
Wirklich sehr schnucklig hier oben.
Nur muss ich mich jetzt leider wirklich beeilen, die Sonne geht unter und der nächste Campingplatz ist noch sieben Kilometer entfernt. An der auf der Karte markierten Stelle angekommen, stelle ich fest, dass der Campingplatz nicht existiert. Ich nutze meine letzten Stromreserven, um im Internet ein Zimmer zu suchen. Zehn Kilometer in nördlicher Richtung, 35 Euro für zwei Personen (für eine Person genauso viel), passt. Ich buche, stopfe mir Tiralli und Nüsse in den Mund und fahre los. Den Kopf gesenkt und die Augen fast geschlossen, denn in der Dämmerung sind besonders viele Insekten unterwegs. Ohne Brille lässt es sich nur schwer fahren.
An der angegebenen Adresse stelle ich fest, dass dies nicht der richtige Ort ist. Nach einem Telefonat weiß ich, dass es nochmal vier Kilometer Fahrt sind. Das Navi lenkt mich auf einen unbeleuchteten Feldweg, auf dem ich eine Dusche von oben erhalte. Die nächtliche Bewässerung des Feldes, die bis auf den Weg reicht, sorgt dafür, dass meine Taschen und ich endgültig verdreckt ankommen.
Aber ich bin froh, als ich halb elf nach 80 gefahrenen Kilometern mit 1.370 Höhenmetern in einem sauberen, schönen Zimmer duschen, essen und das Handy laden kann. Kurz nach eins versuche ich einzuschlafen, aber es ist sehr warm und irgendwie möchten sich meine Beine weiter bewegen. Ich schalte, auch wenn ich das aus Umweltgründen nicht ganz so gut finde, die Klimaanlage ein, und falle anschließend in einen tiefen, traumlosen Schlaf.