Heute muss Michele arbeiten und seine Freundin fährt die anderthalb Stunden zurück zu sich nach Hause ins nördliche Rom. Bei der Verabschiedung denke ich, Achtung, jetzt genau zwei Küsschen, erst rechts, dann links. Dabei nicht zu nah kommen, aber auch nicht zu reserviert verhalten. Unter (neuen) Bekannten bleibt es in der Regel bei berührungs- und geräuschlosen Luftküsschen. Sobald man sich etwas besser kennt, fällt der zweite Kuss als richtiger Wangenkuss aus. Die Begrüßungs- und Verabschiedungsrituale klingen banal, aber, um unangenehme Situationen zu vermeiden, sollte man sich genau an diesen Ablauf halten.
Als die größte Mittagshitze vorüber ist, gehe ich zu Fuß am nahen Tiber entlang Richtung historisches Zentrum.
Die Ampeln zeigen immer nur kurz grün und switchen dann in eine lange Orangephase, in der man zügig die Straße überqueren muss (weil man ja nicht weiß, wann genau auf rot umgeschalten wird und alle unmittelbar losbrettern).
Auf der Via Ettore Rolli hat heute ein Flohmarkt stattgefunden. Die Stände sind weg, aber die ganze Straße liegt noch voller Müll und übriggebliebener Waren. Auf einem großen Haufen Secondhand-Kleidung finde ich zwei Oberteile, die mir vielleicht passen. Erstmal mitnehmen (und ggf. später ebenfalls irgendwo liegenlassen).
Über dem türkisfarbenen Tiber kreisen Möwen und weil Sonntag ist, sind die meisten Straßen menschenleer. Nur dort, wo es eine Trinkwasserstelle oder etwas zu sehen gibt, steht immer eine große Menschentraube. Im Jahr 2018 haben 15,2 Millionen Tourist*innen Rom besucht. Damit liegt die italienische Hauptstadt weit vor Berlin (Platz 14 bzw. Platz 35 weltweit).
Der Bocca della verita (wo natürlich viele anstehen), befindet sich in einer Vorhalle der Kirche Santa Maria in Cosmedin.
Schon beeindruckend, wie alt hier die Kirchen sind (diese ist im 6. Jahrhundert nach Christi geweiht worden).
Ich gehe kurz in eine Auffangstation für Straßenkatzen, die in den Ruinen der Stadt leben. Eine der Freiwilligen erklärt mir, dass es für Ihre Arbeit keine staatlichen Hilfen gibt und dass das wichtigste die Sterilisation ist. Alle der hier lebenden Katzen stehen zur Adoption und sie würde mir jetzt gern eine mitgeben. Auch wenn so eine Katze auf dem Gepäckträger schon was hätte, belasse ich es lieber bei einer kleinen Spende.
Vorbei am Viktor-Emanuelsdenkmal und dem Forum Romanum schlängel ich mich durch die Massen bis zum Kolosseum.
Um weiter in den Norden zum Museo d’Arte Contemporanea di Roma zu gelangen, hole ich mir eine Metrofahrkarte für 1,50 Euro und fahre vier Stationen in den Municipio II.
Das Viertel hier oben ist ziemlich schick.
Die Balkone der frisch renovierten Gründerzeitbauten sind alle mit Blumenkästen und -kübeln geschmückt.
In einer Pasticceria gönne ich mir (ist ja Sonntag) drei der kleinen Teilchen.
Vor allem die Creme vom Sfogliatella, wirklich sehr lecker.
Im Museum gibt es nur einen sehr großen Saal, der als Ausstellungsfläche genutzt wird (alles andere sind Studien- und Schulungsräume).
Die Werke werden eng gedrängt an den hohen Wänden präsentiert. Alles ist irgendwie hypermodern.
Beim Betreten der Toiletten geht im verspiegelten Raum automatisch rotes Licht an.
Zurück in der Altstadt haben mich die Menschenmassen wieder.
Ich komme an einer Gelateria vorbei, in der warme Schokolade an den Wänden herunterläuft und trete fast auf Waren, die von Straßenhändlern auf dem Boden präsentiert werden. Unglaublich viel Krimskrams, ganz viel Plastik. Wer braucht nur all dieses Zeug?
Am Panetheon telefonieren gerade zwei junge deutsche Frauen via Videokonferenz. Sie zeigen das Pantheon, „irgendsoein altes Gebäude.“ Aber die Leute hier, ja, wirklich alle „totaaal nett“.
Ich biege in kleine Gassen ein, um zu dem Laden zu gelangen, in dem Michele italienische Spezialitäten verkauft. Ein 250g Päckchen bunte Nudeln für 4,90 Euro und ähnliche Dinge. Er sagt, viele der Touristen haben überhaupt keine Vorstellung von den in Italien üblichen Preisen und kaufen im Laden einfach wild drauf los.
Als er Feierabend hat gehen wir zurück zur Wohnung in Trastevere. Weil er gerade seinen Job gekündigt hat, unterhalten wir uns viel übers Arbeiten. Obwohl er fließend arabisch und englisch sowie auch ein wenig französisch und mandarin spricht, ist es für ihn nicht wirklich leicht, eine gut bezahlte Arbeit zu finden. Und Rom ist teuer. Sein Zimmer in der WG kostet genauso viel wie unsere 60-Quadratmeter-Wohnung in Leipzig (rund 460 Euro).
Zurück in der Wohnung kommen wir immer wieder auf Politik zu sprechen, denn, so scheint uns, es sind doch derzeit ganz schön viele verrückte und teilweise auch gefährliche Politiker*innen an der Macht.
Da ich die meisten Sehenswürdigkeiten in Rom schon vor einigen Jahren gesehen habe, werde ich mich morgen vor allem auf die Weiterfahrt Richtung Perugia vorbereiten.