Im Hostel gibt es den Café gratis. Zubereitet in einer Mini-Caffettiera für zehn Personen. Die Angestellte fürs Frühstück schaut verwundet, was, schon wieder leer? Und kocht neuen. Nachdem der Café hochgekommen ist, schüttet sie massenweise Zucker direkt in die Caffettiera und kocht das Ganze nochmal lange auf. Ich schaue nur mit weit aufgerissenen Augen und sie wieder skeptisch. Bei der nächsten Runde greife ich vorher ein und schnapp mir einen kleinen Schluck des „normalen“ Espresso, bevor sie alles wieder in eine winzige Zuckerpfütze verwandeln kann.
Ich gehe zu einer Free Tour, die am Castel dell’Ovo beginnt.
Zum Einstieg bekommen wir den Gründungsmythos der Stadt erzählt: Odysseus segelte auf dem Meer vor Neapel, wo er vom Gesang der Sirenen bezirzt wurde. Aber, clever wie er war, hat er sich vorher an Schiffsbalken gebunden und von seinen Matrosen die Ohren mit Wachs verstopfen lassen. Enttäuscht über den Misserfolg stürzen sich die Sirenen ins Meer. Darunter auch Parthenope, deren toter Körper genau dort angeschwemmt wird, wo heute das Castel steht. Die Stadt Palaepolis wird von den Griechen etwa im 7. Jahrhundert v. Chr. gegründet, aus der Neapolis (Neustadt) hervorgeht. Deshalb werde Neapolitaner heute auch noch „Partenopei“ genannt.
Wir gehen am Theater San Carlo vorbei auf die piazza del plebiscito, dem größten öffentlichen Platz der Stadt.
Von hier aus sieht man das gelbe Haus, in dem angeblich die Pizza erfunden wurde sowie hoch oben auf dem Berg das Castel Sant‘Elmo und die Certosa San Martino. Wir sollen dort hoch möglichst zum Sonnenuntergang gehen. Als wir das Caffé Gambrinus, ein traditionelles Kaffeehaus passieren, mache ich einen Moment zu lang Fotos und verliere die Gruppe in den Menschenmassen.
Ich gehe zurück zur Galleria Umberto I, esse meine vorbereiteten Brötchen auf den Stufen der Einkaufspassage und beginne im Internet zu lesen. Dabei stoße ich auf den Reiseblog von Sirenen & Heuler. Umfangreiche, gut recherchierte Tips und frisch (bis fast flapsig) geschrieben. Sehr schöne Fotos.
Danach bin ich frustriert. Erstens ist mein Blog nicht annähernd so toll. (Darüber kann ich mich mit dem Gedanken hinwegtrösten, dass das eben Profis sind). Und zweitens kann ich unmöglich alles ansehen, was mich hier interessieren würde. Ich bin überfordert. Von dem Lärm, von den bettelnden Menschen und den ganzen „must-see“. Und es nervt, dass man ständig als Tourist und somit mögliche Geldquelle angequatscht wird. Letztendlich trotte ich in Richtung Archäologisches Nationalmuseum los.
Auf der Via Toledo, einer der wichtigsten Einkaufsstraßen der Stadt, haben – obwohl Sonntag – fast alle Läden auf. Schöne Menschen, hübsche Kleider und ich laufe rum wie so ein Zottel. Die wenige Kleidung, die ich mithabe, ist nach zweieinhalb Monaten Dauergebrauch ganz schön durch. Egal jetzt.
Im Museum versuche ich mich mit einer Reisegruppe reinzuschmuggeln, werde aber enttarnt. Zurück zu den Schließfächern, von dort zurück zum Ticketschalter. Hier gibt es, entgegen der Internetankündigung, keine Arte-Card. Ab zu einem Sali e Tabacchi, bei dem ich noch nicht mal sagen kann, was ich möchte, da liegt das Kombinationsticket und der Kartenleser schon vor meiner Nase. 21 Euro und Tschüss.
Wenigstens ist das Museum einzigartig und interessant, darum geht es ja letztendlich.
Ich weiß, dass die Ausstellung riesig ist und so laufe ich flott an den ganzen Skulpturen, die in Pompei, Herkulaneum und Rom gefunden wurden, vorbei.
Im ersten Obergeschoss gibt es die Mosaike, wunderschön.
Und auch teilweise lustig.
Im hintersten Winkel gibt es einen Raum für alles was irgendwie mit Sex zu tun hat.
Im Gabinetto Secredo stehen zum Beispiel Pfosten in Phallusform, die in der Antike zur Grundstücksbegrenzung dienten. Daneben ein Schild: Vietato toccare! (Anfassen verboten!) Dieser extra, hier anscheinend notwendige Hinweis amüsiert mich prächtig.
Ich schaue mir natürlich auch die Fresken an, die von den Wänden der antiken Stätten entfernt und jetzt hier im Holzrahmen präsentiert werden.
Beeindruckend, wie realistisch und ausgewogen sie sind.
Ganz oben gibt einen großen Saal, in dem sich alles nur um die Nachahmung der antiken Vorbilder im Klassizismus dreht. Und weitere Räume für die Funde aus der Villa dei Papiri und Alltagsgegenstände wie Würfel, Schlüssel und Teekannen.
Nach drei Stunden verlasse ich geplättet das Museum und gehe zur Piazza Bellini. Hier steht, genauso wie an anderen Orten der Stadt, ein Panzer mit Soldaten und Maschinenpistolen rum. Gleich daneben gibt es Sportzigrettchen. Ich halte mich jedoch an das nächste Café und bestelle torta neapoletana (Zitronenrührkuchen) und Caffé freddo (kalter, schaumiger und süßer Kaffee).
Nachdem serviert wurde, werde ich aufgefordert, umgehend die sieben Euro zu zahlen. Aber der Kuchen und Kaffee ist lecker und nach einer Stunde rumsitzen im Schatten bin ich wieder hergestellt.
Mit der Arte-Card kann ich jetzt Metro fahren, was hier aufgrund der künstlerisch gestalteten Stationen ein eigenes Erlebnis ist.
Im Bahnhof schaue ich noch nach einem neuen T-Shirt, ist nur gerade nichts passendes dabei. Und so gehe ich zurück ins Hostel, wo ich weiter im Reiseblog von Sirenen & Heuler schmöker. Morgen nochmal Napoli, bevor es nach Rom geht. Um zwölf kommt unten auf der Straße ein Bagger, der schippt die ganzen Müllberge weg. Ich schließe das Fenster, denn in Ruhe schlafen ist ja auch ganz schön.