Erst denke ich, sie meinen, dass in Lecce der Sirocco Sand auf die Straßen geweht hat. Aber nein, meine Zeltnachbarn, ein italienisches Pärchen, sagen: vor zwei Tagen hat es gehagelt. Die Straßen waren so glatt und voller Hagelkörner, dass es ein Verkehrschaos gab. Jetzt jedoch, 30 Grad, strahlender Sonnenschein, wenig Wind.
Olaf, der Anfang Juli mit mir gemeinsam fahren möchte, trainiert am Cossi schon fleißig. Ich bin noch nicht mal losgefahren, da hat er schon 50 Kilometer hinter sich. Sehr vorbildlich.
Es geht weiter am Meer entlang. Olivenhaine, Trockenmauern, weißgetünchte Häuser und kleine Wege, die zum Strand führen.
Mal ist es Steinküste, mal feiner Sandstrand, an dem ein paar Einheimische und Touristen entspannen. Neben der Straße, direkt am Meer, Grabungsstätten.
Hier, an der Via Traiana befand sich die antike Hafenstadt Gnathia.
Ich möchte etwas einkaufen, aber es ist schon nach 13 Uhr und bis 16.30 Uhr geht nichts bei den Alimentari. Dann eben vorerst weiter Nüsse und Datteln.
Am „Parco Naturale Regionale Dune Costiere da Torre Canne a Torre San Leonardo“ halte ich, um am feinen Sandstrand baden zu gehen.
Das Wasser ist traumhaft klar und warm. Eine Gruppe, die gerade eine Führung durch die Dünenlandschaft bekommen hat, kommt vorbei. Sie fotografieren mein Fahrrad, was mich amüsiert und freut.
Immer wieder sehe ich Personen, die gerade den Strand von Müll befreien, es sind auch einige Strandreinigungsmaschinen unterwegs. Ich mag es, wie viel Wert sie hier auf die Pflege und den Erhalt der antiken Grabungsstätten, der Landschaft und der Natur legen. Selbst auf dem nullachtfünfzehn Campingplatz, auf dem ich heute übernachtet habe, wurde der Müll getrennt und auf den sparsamen Umgang mit (Trink)wasser hingewiesen.
Ich erinnere mich gut, wie meine italienischen Mitbewohner*innen und Freund*innen, alle keine ausgewiesenen Ökos oder besonders Schicki-Micki, sehr achtsam mit Lebensmitteln, der Einrichtung und ihrer Kleidung umgingen. T-Shirts zum Beispiel wurden (meistens von der Mutter) gebügelt und durften auf keinen Fall zerknittern.
Ich versuche eine Abkürzung durch einen Olivenhain zu nehmen, verfahr mich und stoße zufällig auf den ausgewiesenen Radweg BicItalia No. 6, der mich direkt nach Costa Merlata, einem Dorf am Meer führt.
Ich frage einen Mann nach Trinkwasser, der, nachdem wir uns eine Weile unterhalten haben, erstaunt reagiert, dass ich gar nicht aus Italien komme. Ist mein italienisch gerade wirklich so gut gewesen oder möchte er mir nur schmeicheln?
Auf einem Campingplatz finde ich eine Wasserstelle und fahre weiter zu einem Ort, der bei Google Maps als freier Campingplatz ausgewiesen ist. Eine große Freifläche, direkt am Meer, vereinzelt Wohnwagen und Kleinbusse. Ein VW-Bus mit deutschem Kennzeichen, hier, sagt Katharina aus Münster, wären seit gestern nur ein paar Fischer vorbeigekommen. Von ihnen haben sie gerade Fisch geschenkt bekommen und ich könne ja gleich mitessen.
Auch wenn Wildcampen offiziell in Italien verboten ist, erscheint es mir hier absolut sicher und vor allem traumhaft schön.
So viel Freiheit für wenig Geld, da bin ich mir sicher, findet man nur noch selten am Mittelmeer.
Noch immer sind es 70 Kilometer bis Lecce, was bedeutet, dass ich morgen zügig über die Landstraße fahren möchte, um in die Stadt zurückzukehren, die ich vor zwölf Jahren das letzte Mal gesehen habe. Ich bin schon etwas aufgeregt.