In den letzten Jahren habe ich bei der Durchführung von ADFC-Radreisevorträgen geholfen. Dadurch habe ich schon viele Radreisende gesehen, gehört und kennengelernt. Einer, der mir besonders sympathisch war, ist Thomas. Er ist, was man gemeinhin als ein Original bezeichnet. Seine Ansichten und Tipps sind fröhlich, pragmatisch und einfach. Gegen das Wundfahren zum Beispiel empfiehlt er (statt irgendeiner speziellen Creme): öfters mal die Hose wechseln. Er sagt, dass es immer einen Tag braucht, bis man in einem neuen Land ankommt. Und es ist wirklich so. Selbst wenn sich mit dem Grenzübertritt in kultureller und landschaftlicher Hinsicht scheinbar gar nicht viel ändert: jedes Mal ist es ein neuer „drive“, an den man sich erstmal gewöhnen muss.
Italien kenne ich schon ganz gut, trotzdem erscheint mir heute alles neu: die lebhafte Gesprächskultur (es gibt immer was zum Aufregen, Madonna!), die Mopeds in engen Gassen, die Omis, die den ganzen Tag vor ihrer Haustür sitzen. Wenn der Wasserhahn nicht funktioniert oder vorhanden ist, nach unten schauen, da ist ein Fußtritt. Und wenn man die Wahl zwischen Sonne und Schatten hat, dann auf jeden Fall den Schatten wählen.

Nach der italienischen Passkontrolle fahre ich zunächst ins centro storico von Bari. Vorbei an der Basilica San Nicola, wo die Gebeine des heiligen Nikolaus aufbewahrt werden. In der Bar ein Espresso, der auch zwölf Jahre später noch einen Euro kostet.
Ich schreibe nochmal viele Hosts auf warmshowers an, bisher haben mir alle entweder abgesagt oder gar nicht geantwortet. Die alten Mitbewohner*innen und Freund*innen in Lecce informieren, dass ich bald da bin.
An einem Stand fülle ich meine Gemüsevorräte wieder auf: eine runde und mehreren behaarten Gurken (noch nie gegessen, aber sind schön knackig).

Der Verkäufer lässt alles ordnungsgemäß abwiegen und, wie es das Gesetz verlangt, wird ein Kassenbon ausgehändigt. Dann jedoch, gibt er kein Wechselgeld raus, sondern steckt stattdessen ungefragt weitere Gurken in den Beutel. Andiamo, andiamo.

Jetzt immer am Meer entlang Richtung Brindisi, eben und leicht. Die Straße flimmert vor Hitze, aber es weht eine kühle Brise (die irgendwann zum Gegenwind wird).
Oleander in Baumform, blühende Kakteen und Kiefern, die duften.
Vor Mola di Bari beginnt parallel zur Straße ein separierter Radweg. Aller fünf Meter ist ein neues Schild mit Fahrrad drauf aufgestellt.

An einer Kreuzung wird es richtig wild: gleich zehn Schilder weisen darauf hin, dass hier Radverkehr zu erwarten ist. Ich sehe auch viele Radfahrende, vor allem auf dem Rennrad, die fahren jedoch lieber auf der Straße.
In der Ortsmitte halte ich an einem Trinkwasserbrunnen. Als ich gerade meine Flaschen auffülle, kracht das Fahrrad um. Dabei verbiegt es das Schutzblech, aber voilà, jetzt schleift es nicht mehr am Mantel.

Links und rechts des Weges stehen viele Trulli. Die alten Steinbauten sind typisch für Apulien und wurden vor hunderten von Jahren ohne Mörtel oder Beton erbaut.

Sie dienten und dienen als Zufluchts- und Lagerort gegen die große Hitze.
In Polignano a mare fand vor wenigen Tagen ein Red Bull Cliff Diving Event statt.

Ist auch eine großartige Kulisse, oben die Stadt und unten die schwimmenden Menschen.
Booking.com verrät, kein Zimmer unter 40 Euro. Dann eben Campingplatz. Der ist schnell gefunden und am Abend ganz ruhig, nur ein Käuzchen und das Rauschen des Meeres sind zu hören.
Bis nach Lecce sind es noch über 100 Kilometer, keine Ahnung ob ich die morgen alle schaffe. Mein größtes Problem ist nicht die Kraft, sondern die Zeit.