Wo sich Landesgrenzen befinden, verlaufen oft auch geografische Grenzen. So auch hier. Genau am höchsten Punkt, auf 1.160 m, ist der Grenzübergang „Deve Bair“ zwischen Bulgarien und Nordmazedonien. Zunächst heißt es jedoch hochfahren, 23 km und 860 Höhenmeter. In Kjustendil gehe ich noch kurz zur Post und setze meine letzten Lew in Zahnpasta um.
Für die Bergfahrt lasse ich mir Zeit, denn ich möchte mich nicht quälen und das Zimmer im Kloster in Mazedonien ist nicht weit und schon reserviert. Immer wieder halte ich an und sauge die letzten Eindrücke dieses Landes auf, was ich eigentlich nur durchfahren wollte und das ich jetzt sehr mag.
Als ich gerade das Selfi auf der Bank an der Bushaltestelle mache, hält ein VW Bus an. Heraus springt Thorsten aus dem Allgäu, der schon kreuz und quer über den Balkan gefahren ist. Jetzt möchte er nochmal nach Skopje und an den Ohrid-See. Als ich die Ausstattung im Bus sehe, staune ich. Was der alles so hat, richtige Papierkarten von allen möglichen Ländern und eine Kühlbox mit einer riesigen Salami oben drauf. Wir schnaken und er verspricht schon mal die Campingplätze in Skopje auszuchecken.
Am Abend meldet er, leider alles nicht so doll, aber ich soll mal Bescheid geben, wo ich morgen Station mache. Das allerdings wird nix, was ich brauche ist: Ruhe.
In einem Garten grast ein Kalb. Ein sehr alter Mann, gebeugt und am Stock schleicht in Richtung seines baufälligen Schuppen. Unter Hochspannungsleitungen knistert es.
Eidechsen huschen über Granitwände. Und die Kiefern, die duften, so wie in Brandenburg.
Weiter oben, fast an der Grenze, blühen unzählige Obstbäume.
Mit 5 km/h nähere ich mich Mazedonien, langsam zwar, aber mit jeder Umdrehung ein Stückchen mehr.
Als die Grenzbeamt*innen mein Fahrrad und mich sehen, lachen sie. Die haben aber gute Laune hier.
In Mazedonien sehe ich einsame Häuser hoch oben auf den Bergen, im Flusstal klitzekleine Felder, bearbeitet mit dem Handpflug, viele Haustiere (Kühe, Ziegen, Esel, Schafe, Enten, Hühner, Schweine) und wohnhausgroße Holzschuppen.
Als ich gerade einen der Schuppen näher ansehen und fotografieren möchte, steht da eine Frau, vielleicht Mitte 50, und lächelt mich freundlich an. Weil sie kein Englisch kann, holt sie ihren Mann. Als ich sage, ganz schön viele Haustiere hier, sagt er, nein, nur zwei Schweine und drei Ziegen. Er möchte gern in Deutschland arbeiten, als Ingenieur. Doch leider hat er keinen bulgarischen Pass. Er hat keine Schneidezähne mehr, an deren Stelle befinden sich silbern leuchtende Punkte. Sie laden mich auf einen Kaffee ein, aber mir ist das gerade alles unangenehm, die beiden mit ihrem Traum von Arbeit in Deutschland. Später bereue ich, dass ich einfach weitergefahren bin, weil sie wirklich nett waren.
Der Weg zum Kloster hoch ist so steil, dass ich schieben muss.
Ich komme an einem Mann vorbei, der allein ins Tal blickt. Er scheint traurig zu sein, ich grüße und lächle ihn aufmunternd an. Er grüßt zurück und schaut dann wieder ins Tal.
Aus der Gaststätte des Klosters dröhnt mazedonische Popmusik, Partystimmung statt Besinnung hier oben.
Jetzt befinde ich mich wieder in der mitteleuropäischen Zeitzone und habe heute eine Stunde mehr. In den nächsten beiden Tagen möchte ich Skopje erreichen.