Auch heute habe ich nicht allzu viel unternommen. Ich habe den großen Kühlschrank geputzt, weil den eigenen Dreck wegmachen sowieso eine der Bedingungen für die kostenfreie Nutzung der Wohnung ist. Außerdem hoffe ich, dass mein Gastgeber sich darüber freut, wenn es nach mir sauberer ist als vorher. Ich bin in den Spätshop um die Ecke gegangen, der eher wie ein kleiner Supermarkt ist, und habe mir neue Essensvorräte besorgt. Das Viertel, in dem ich bin, ist ruhig, grün und fast familiär.
Rund um den Journalisten-Platz, der keine 100 m entfernt ist, gibt es kleine Läden für den alltäglichen Bedarf, eine Straßenbahnhaltestelle und Sitzgelegenheiten.
Am Abend habe ich eine Free Sightseeingtour besucht. Obwohl diese in englischer Sprache an 365 Tagen und vier mal täglich angeboten wird, waren wir rund 30 Personen.
Geleitet wurde sie von einem jungen Bulgaren, der uns unterhaltsam und sicher die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt vorstellte. Am Ende von solchen Touren, die genauso in anderen Städten angeboten werden, kann man soviel spenden, wie man möchte.
Ich werde hier nicht über das schreiben, was man auch in einem Reiseführer oder bei Wikipedia über Sofia nachlesen kann.
Mich beschäftigt etwas anders: egal wo ich bisher langgefahren bin, überall war der Straßenrand zugemüllt.
In Bulgarien wurden in Haltebereichen große Betonbehältnisse aufgestellt.
Gebracht hat es wenig.
Der Müll am Straßenrand ist sicher nicht gut für die Umwelt und sieht auch einfach beschissen aus. Aber im Vergleich zu dem, was wir nicht sehen, ist es nichts.
Ich befinde mich gerade in Sofia, der zweitältesten Stadt Europas (nach Athen). Seit 6.000 Jahren leben hier Menschen. Es gab Kriege, Hungersnöte und Seuchen, bei denen Menschen starben. Aber sie haben keinen solchen irreparabelen Schaden an ihren eigenen Lebensgrundlagen angerichtet, wie dies die Menschen in den letzten 100 Jahren in immer größer werdenden Ausmaß tun. Seit 1970 sind 60% der Arten ausgestorben und in den letzten 120 Jahren hat sich die Erde um 1,3 Grad erwärmt. Nächsten Freitag ist es wieder soweit: dann hat Deutschland seine natürlichen Ressourcen für 2019 verbraucht. All das was danach kommt, ist ein Kredit. Schulden, die diejenigen tragen müssen, die ärmer und jünger sind als wir.
Wir sind so reich. Selbst hier in Bulgarien gibt es Menschen, die nicht bis ins hohe Alter arbeiten, weil sie das Gefühl haben bereits genug zu besitzen. Nach der Wende gab es den Wunsch all den Mangel auszugleichen, aber das ist auch schon wieder eine vergangene Zeit. Es ist heute normal eine gewisse konsumkritische Haltung zu haben, aber im Großen und Ganzen wird Verzicht und die Wahl von ökologischen Alternativen nicht belohnt, weder politisch noch zwischenmenschlich. Und so wird immer mehr geflogen, immer mehr Strom verbraucht, immer mehr Fleisch konsumiert.
Wie kann es sein, dass junge, gebildete Menschen noch immer von Fernreisen träumen und dabei nicht wissen, dass sie mit nur einem Hin- und Rückflug fünf Quadratmeter Polareis zum Schmelzen bringen? Die Umweltprobleme sind auch ein Bildungsproblem, aber nicht nur.
Denn oft wissen wir doch längst, was richtig ist und tun es dann aber doch nicht aus Bequemlichkeit und Selbstsucht. Selbst Menschen, die ökologisch orientiert sind, sagen dann, dass sie keine Zeit zum Bahnfahren hätten oder ähnliches.
Bei diesem ganzen Schwachsinn möchte ich nicht mehr mitmachen, auch wenn ich Teil davon bin. Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag mein Verhalten auch in ökologischer Hinsicht zu hinterfragen und ein kleines bisschen zu verbessern. Manchmal klappt es besser, manchmal schlechter. Die Welt retten werde ich damit ganz bestimmt nicht. Das können, wenn sie denn willig und sich einig werden, nur Politiker*innen.
Aber vielleicht kann ich ja den Earth Overshoot Day eine Milli, Milli, Millisekunde nach hinten rücken und Menschen, denen ich begegne, Gedankenanstöße und Mut dafür mitgeben, Dinge auch mal anders und ökologisch sinnvoller anzugehen.
Wir gratulieren dir zum Geburtstag, liebe Jule! Bitte, bitte, sorge dich heute mal nicht um dich ganze Welt. Denke daran, dass es schon Eiszeiten und Hitzeperioden auf dieser Welt gab, als sie noch von keinem Menschen bewohnt war. Heute viele frohe Erlebnisse im Witoscha-Gebirge!
Hallo Mutti, dankeschön. Nein, Sorgen mache ich mir keine, denn ich kann ja nicht in die Zukunft schauen. Zu jeder Zeit haben die Menschen andere Inhalte und Aufgaben, für die es sich lohnt einzutreten. In Eurer Jugend war das politische Freiheit und die Beseitigung der Mangelwirtschaft. Und heute ist es die Entscheidung und der Einsatz gegen ein ungebremstes Wirtschaftswachstums, mit sehr vielen kleinen Worten und Taten, jeden Tag aufs Neue. Liebe Grüße Jule
Liebe Juliana, heute ist Dein Geburtstag, ich freue mich über Dich, Deinen Mut und Deine Audauer und auch über Deine Gedanken über das hier und jetzt und die Zukunft. Heute erhielt ich diese Zeilen von Lothar Zenetti:
Was keiner wagt, das sollt Ihr wagen
Was keiner sagt, das sagt heraus,
was keiner denkt, das wagt zu denken,
was keiner ausführt, das führt aus.
Wenn keiner ja sagt, sollt Ihr’s sagen,
wenn keiner nein sagt, sagt doch nein,
wenn alle zweifeln, wagt zu glauben,
wenn alle mittun, steht allein.
Wo alle loben, habt Bedenken,
wo alle spotten,spottet nicht,
wo alle geizen, wagt zu schenken,wo alles dunkel ist, macht Licht!
Alles Gute auf Deinem Weg, bleibe bewahrt. Dein Vati
Danke lieber Vati.
Liebe Annelies, vielen Dank! Auch Dir wünsche ich alles Gute zum Geburtstag! Feiert schön.
Danke Birte! 🙂
Hej Alex, wie poetisch und schön :). Liebe Grüße und ne fette Umarmung nach Berlin