Plowdiw ist 2019 europäische Kulturhauptstadt. Und so steigen schon früh um acht Rentner*innen aus Reisebussen und marschieren schnurstracks in Richtung irgendeiner Sehenswürdigkeit. Ich beobachte sie eine Weile von meinem Zimmerfenster aus, bevor ich mich wieder dem Fönen meiner Hosen (die leider doch nicht ganz trocken geworden sind über Nacht) zuwende. Die ältesten Siedlungsspuren der Stadt gehen bis ins 6. Jahrtausend vor Christus zurück. Eine unvorstellbar weit entfernte Zeit. Wikipedia weiß aber noch mehr: in der osmanischen Periode (zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert) war die Stadt ein Handels- und Handwerkszentrum mit guten Verbindungen nach Konstantinopel und Thessaloniki einerseits sowie Wien und Leipzig andererseits. Ich bin also auf dem richtigen Weg.
Bevor ich losfahre, gehe ich noch kurz in den Lebensmittelladen, der sich genau unter meinem Zimmer befindet.
Um kurz vor 11 bin ich abfahrtsbereit.
Die ersten Meter führen durch enge, dunkle Gassen, in denen alte Frauen Wäsche aufhängen, Kinder im Dreck spielen und Männergruppen rumsitzend. Ob es Roma und Sinti oder arme Bulgar*innen sind, kann ich nicht genau sagen. Ich fahre in Richtung Zentrum und sehe plötzlich auf der linken Seite eine kleine Garage mit viel Werkzeug und einem Auto drin. Ich halte und zu meiner Überraschung kann der ältere Mann fließend deutsch, der jüngere gut englisch. Der Deutsche ist eigentlich Italiener und hat hier eine Pizzeria. Damit, sagt er, lässt es sich in Plowdiw für ihn „ökonomisch sehr gut leben“. Gerade eben wartet er darauf, dass sein Auto repariert wird. Ich zeige meine provisorische Befestigung des Gepäckträgers und in wenigen Minuten habe ich wieder eine ordentliche Schraube drin. Der junge Automechaniker holt sein Fahrrad, ein BMX, und macht ein paar Sprünge damit.
Ich fahre weiter, die meiste Zeit auf Radwegen. Wenn ich an Zebrastreifen Straßen überqueren möchte, bremsen die Autofahrer*innen. So etwas wäre mir in der Türkei nicht passiert (dort ist ein Zebrastreifen eher eine Art unverbindliche Einladung zum ggf. Stehenbleiben).
Die Innenstadt von Plowdiw ist sehr schön.
Als ich Plowdiw verlasse, ist es bereits 13 Uhr und ich bin ein bisschen traurig, denn ich wäre gern noch auf einen oder mehrere Hügel, über die sich die Stadt erstreckt, gegangen. Aber bis zur Unterkunft sind es über 80 km und ich mach mir jetzt schon etwas Sorgen, dass ich das nicht vor der Dunkelheit schaffe.
Ich fahre einige Kilometer direkt entlang des Flusses, der die Stadt durchquert, bevor ich auf eine Bundesstraße mit sehr viel Verkehr gelange. Als mir zwei andere Radreisende entgegen kommen, klingel ich wie verrückt und winke. Nach 10 Kilometern schlägt mir die Navigation Nebenstraßen vor. Entlang einer Bahnlinie passiere ich Gewächshäuser, ein großes Holzwerk, einen Tagebau und Industriebrachen.
Aber die Straßen sind wunderbar ruhig hier draußen.
Zurück auf der Bundesstraße denke ich gerade über ein mögliches Gewitter nach, als ich auf Susanna treffe. Sie ist schon seit Anfang März mit dem Rad unterwegs, überwiegend allein, von Berlin quer durch den Balkan mit dem Ziel Istanbul, vielleicht dann weiter nach Georgien. Sie wird sich heute Abend einen Platz zum Wildcampen suchen. Hola di Waldfee. Wir tauschen unsere Instagram-Kontaktdaten aus und fahren, weil schon spät, schnell weiter.
Ein paar Kilometer weiter hält vor mir ein kleines, vollbepacktes Auto, eine Frau springt raus und reicht mir ein Bier. Die drei Bulgar*innen sind gerade auf dem Weg zum Wandern in Nordmazedonien und dachten sich, sie machen mir mal eine Freude. Haben sie geschafft.
Ich durchquere noch einige Dörfer, die sich in einem Tal aneinanderreihen. In einem Dorf gibt es ganz viele Läden, die große Packungen an Klopapier verkaufen.
Als ich im Bergdorf Gabrovica und der heute Nacht schnell gebuchten Unterkunft (gab nur eine) ankomme, staune ich nicht schlecht, denn ich habe ein ganzes Haus für mich.
Ich zahle direkt auf der Straße 20 Euro und genieße viel Platz und Vollausstattung. Morgen geht es weiter, Richtung Sofia.
Ach ist schön!!toll diese wunderbaren Begegnungen!! ich freu mich für dich Julchen😘
Gute Weiterfahrt!
Danke liebe Claudi 😘
Wenn du wieder einmal Hosen oder was auch immer wäscht:
Die ausgewundene Hose in ein Handtuch einschlagen und fröhlich drauf rum latschen. So kommt die Hose fast trocken auf die Leine und ist bis zum nächsten Morgen höchstwahrscheinlich trocken. Handtücher trocknen ja auch recht zügig wieder.
Kuss, Kuss.
Deine SchlaumeierTina
Jeahr, die Praktiker-Tina packt aus! Großartig, das mach ich 🙂
He Zucker,
na das ist ja ne Überraschung. Danke fürs Kompliment, die guten Wünsche und vielleicht klappt es ja mal mit einem Treffen in Dresden, der Steffko, die Heike, du und ich. Das wär was :). Liebe Grüße