Am Obst- und Gemüsestand gibt es alles zwei mal: oben die frische Ware, unten Verschrumpeltes. Teilweise sieht das übel aus und manches schimmelt sogar schon, aber dafür ist es auch nochmal wesentlich günstiger als Obst und Gemüse hier ohnehin schon ist. Die schmeißen hier wenigstens nichts einfach so weg.
Als ich die Stadt verlasse, denke ich das nicht mehr. Über eine große Fläche ist Bauschutt und Abfall verteilt. Und jetzt, wo ich darauf achte, sehe ich ihn überall, den Müll: Plastiktüten, die in Sträuchern und Bäumen hängen. Die Flaschen im Straßengraben. Alle möglichen Reste der Zivilisation verteilt auf jedem noch so kleinen Stück Erde.
Der Wirt von der Weinkelterei empfiehlt mir den Standstreifen der Autobahn zu nutzen, das sei sicherer als die Landstraße. Ich höre nicht auf ihn und nehme den Weg über die Dörfer nach Skopje.
Menschen, die wenig oder kein Fahrrad fahren, denken oft, es wäre generell gefährlich, Rad zu fahren und Autos „im Weg zu sein“. Es sei vor allem notwendig, separierte Radwege zu bauen. Das denke ich nicht. Menschen haben Augen und Autos Bremsen. Problematisch sind m.E. vor allem übersehen zu werden (Rechtsabbieger), zu geringe Sicherheitsabstände und Geschwindigkeitsüberschreitungen.
Die Landstraße hat keinen Mittelstreifen, ist schmal und bucklig. Optimal, denn die Autos können nur langsam fahren und nur wenn die Gegenfahrbahn frei ist, können sie überholen.
Auf dieser Straße zu fahren, ist ungefähr so, wie von Leipzig nach Borsdorf. Unspektakulär und einfach, aber man kommt von A nach B.
Unterwegs werfe ich manchmal Straßenhunden Futter zu, weil ich noch genug davon hab. Straßenhunde kann man von Hunden mit festen Besitzer*innen an einem gelben Ring im Ohr unterscheiden. Sie wurden von den Behörden geimpft, kastriert und wieder ausgesetzt. Sie werden von der Öffentlichkeit gefüttert und dürfen natürlich auch auf- und mitgenommen werden. Die Straßenhunde und -katzen, die mag ich, ganz im Gegensatz zu nicht angeketteten Wachhunden, denen ich zum Glück schon länger nicht begegnet bin.
Es gibt viele freilaufende Haustiere hier, selbst direkt neben belebten Straßen picken und scharren die Hühner in der staubigen Erde, ganz ohne Zaun drumrum.
Als ich den höchsten Punkt meiner heutigen Fahrt erreicht habe, sehe ich das erste Mal eine richtige, riesengroße, illegale Müllkippe. Genau dort, wo eigentlich eine schöne Aussicht auf Skopje im Tal sein könnte, lodern kleine Feuer und stinkt es gewaltig.
Ich bin total geschockt. So ein landschaftlich schönes Land, wie können sie nur so etwas tun.
Ich fahre hinab und entscheide mir in einem Café zur Aufmunterung einen Espresso zu gönnen. Der Wirt setzt sich zu mir.
Er sagt, die Mazedonier*innen seien gute Menschen. Da ich das jetzt schon zum vierten Mal von den Bewohner*innen selbst höre, frage ich nach, was er damit genau meint. Er kann es nicht so richtig erklären, sie seien hier eben freundliche Menschen. Was er über Umweltthemen denkt? Da müsse jede*r zunächst bei sich selbst anfangen. Ob es nicht auch vor allem Aufgabe der Politik sei, die Regeln zum Umweltschutz vorzugeben? Aber da ist er skeptisch, schließlich gäbe es da ja immer noch die Korruption. Am Ende gibt er mir den Café aus und ich denke, ja, stimmt, es sind gute Menschen hier.
Ich fahre die letzten 15 Kilometer ins Zentrum.
Davon einige an der Vardar entlang, was sehr schön und entspannend ist.
Heute morgen habe ich noch ein Zimmer über Airbnb gebucht, insgesamt sechs Nächte. Ruhige, zentrumsnahe Wohngegend, einfache Einrichtung, Bad und Küche teile ich mit zwei anderen Gästen. 67 Euro werden direkt via PayPal vom Konto abgebucht.
Am Abend treffe ich mich noch mit Rante, der zwar keine Möglichkeit gefunden hat, mich bei Freundinnen unterzubringen, aber mich schon im Vorfeld informierte, unter anderem, dass am Dienstag der Papst nach Skopje kommt.
Er arbeitet als Rechtsanwalt für Umweltfragen und Tourguide in und um Skopje. Außerdem hat er letzten September das Social Bicycle Centre (eine Mischung aus Selbsthilfewerkstadt und Vortagsraum) begründet. Vor ein paar Jahren hat er das erste Fahrrad-Filmfestival in Mazedonien organisiert, inklusive internationaler Gäste und Förderungen. Es ist eine sehr interessante Begegnung, da er sich natürlich sehr gut auskennt, in Umweltfragen und überhaupt.
Er sagt zum Beispiel, dass ich es jetzt gerade gut getroffen habe, die Luftverschmutzung in der Stadt liegt derzeit bei nur 77. Skopje liegt im Tal, umgeben von hohen Bergen. Im Winter geht der Smogwert bis auf 900 hoch. Die Folgen sind dann unter anderem starke Kopfschmerzen.
Morgen werden wir auf den Hausberg von Skopje, den Vodno, gehen. Er möchte da noch etwas für eine Tour prüfen und einmal da hoch gehört sowieso zum Standardprogramm eines jeden Touristen in Skopje.