Als wir aus dem Haus kommen, sehe ich es sofort. Weg sind sie, unsere beiden Sättel. Geklaut neben der stark befahrenen Straße, unter der Videoüberwachung. Scheiße. Ach ja, die Sattelstangen fehlen uns jetzt auch, na toll. Wie dumm kann man auch sein, das hier so stehen zu lassen! Ledersattel, schöne Federung und beide nur mit Imbus gesichert, das ist doch vorhersehbar.
Aber es bringt jetzt auch nichts, sich zu ärgern. Entweder wir finden Ersatz oder wir können nur noch im Stehen fahren. Oder brechen die Reise ab. Wobei letzteres nicht wirklich eine Option ist.
Bei der Onlinesuche nach einem Laden findet Olaf in Nähe des Bahnhofs eine Fahrradstation, mit Werkstatt und Fahrradparken (die Nacht 4 Euro). Ich sage, am schwierigsten wird das mit den Sattelstangen. Haben alle verschiedene Durchmesser. Aber, beteuert man mir, alles kein Problem, sind doch heute genormt und in der Station vorrätig.
Wir suchen also erstmal nur nach zwei Sätteln. In einem kleinen Laden finden wir schöne, gebrauchte. Ich frage nach Schellen, was man hat, das hat man. Verhandle einen top Preis.
Zurück bei der Fahrradstation gibt es doch nicht die richtigen Stangen, also nochmal zu einem Laden. Für die beiden ollen Metallstücke mit einem Durchmesser von genau 27,2 mm wollen sie achtzehn Euro. Die sind höchstens zehn Euro wert, sag ich und werde ausgelacht. Am Ende zahle ich zwölf und bin äußerst zufrieden: wir haben jetzt alles was wir brauchen und, wenn wir Glück haben, zahlt die Hausratversicherung.
Ab zu den Carabinieri, Anzeige machen. Die Sättel von Fahrrädern wurden also gestohlen? Die Beamte muss sich ein Lachen verkneifen. Ist ja auch schwer vorstellbar, das alles zusammen mal 320 Euro gekostet hat.
Lebensmittel einkaufen, für jetzt und morgen. Auch Mortadella di Bologna, natürlich nur für Olaf.
Ich weiß jetzt, warum wir in Bologna Ähnlichkeiten mit Leipzig entdeckt haben. Sind Partnerstädte. Passt der Sattelklau auch sehr gut dazu.
Am Abend dann die geplante Stadtrunde.
Mauersegler im Sturzflug vor der Basilika San Petronio (fünftgrößte Kirche der Welt, Fassade bis heute unvollendet). Ich habe mal gelesen, dass Mauersegler in der Dämmerung nach oben steigen und dann in großen Höhen während des Segelns schlafen. Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal im Blog geschrieben habe. Sind auf jeden Fall faszinierende Tiere.
Auf dem Weg ins Universitätsviertel an den beiden schiefen Türmen vorbei.
Beide stehen heute auch noch, der kleinere mit einer Neigung von 3,20 Metern. Ursprünglich gab es in Bologna 180 der sogenannten Geschlechtertürme, alle errichtet von reichen Familien im 12. und 13. Jahrhundert.
Bologna hat die älteste Universität Europas.
Jetzt sind Student*innen mit Lorbeerkranz unterwegs. Nach Studienabschluss, so will es die Tradition, werden sie von ihren Freund*innen mit „dottore“ Geschrei und (zumindest im Norden) mit ulkiger Kleidung durch die Stadt gescheucht. Sie müssen vulgäre Gedichte über sich selbst vorlesen, über Hecken springen oder in Brunnen baden.
In den Straßen sehr viel Streetart, einige sind richtig gut gelungen.
Da die Stadtführungs-App nicht sonderlich viel Interessantes ausspuckt, erfindet Olaf ein paar neue Fakten: die ältesten Stufen der Stadt, mittelalterlich und gut erkennbar an ihrer geringen Höhe. Und da, in dieser Seitenstraße, ist das Geburtshaus der Spagetti.
Am Piazza Giuseppe Verdi eine Gipsy-Band, trotz kleiner Boxen und geringer Soundqualität ist der Platz voll, vielleicht zwei- bis dreitausend Menschen.
Bei der daneben liegenden Piazzetta setzen wir uns kurz unter die hohen Bäume. Nach Ferrera noch Flamingos anschauen? Ja, nein, vielleicht. Mal schauen. Olaf möchte jetzt vor allem eins, losfahren.
Auf dem Heimweg werden gerade die Müllsäcke eingesammelt, Tonnen gibt es hier nicht. Manche der Säcke wurden extra beschriftet mit „plastica“, sehr vorbildlich. In Istanbul, erinnere ich mich, würden jetzt die Rohstoffsammler mit ihren riesigen Gefährten kommen und alles vorher nochmal durchsuchen. Aber inzwischen bin ich ja weit weg und gefühlt schon fast zu Hause.