Als ich den Berg von Matera runterfahre, wundere ich. So weit bin ich vorgestern hochgefahren? Die Berge sehen, genauso wie andere Herausforderungen im Leben, immer vorher und nachher groß und schwierig aus. Nur während man etwas (am besten langsam) macht, da ist es einfach. Es ist nicht schwierig viele Kilometer mit dem Fahrrad zurückzulegen, nur das Losfahren, das kostet jedes Mal Überwindung.
Daniele lädt mich ein, eine weitere Nacht oben in einem Dorf in der Nähe zu verbringen, wo er ein Haus saniert. Ich bin hin- und hergerissen und entscheide mich aus Zeitgründen dagegen. Am Abend merke ich, da ist jemand richtig sauer und enttäuscht. Das ist öfters so, dass Menschen, die ich auf dem Weg treffe, nicht verstehen (wollen), dass ich meine Ziele im Blick behalten möchte und folglich nur für kurze Zeit verweilen kann. Leid tut es mir trotzdem, vor allem, weil sie wahrscheinlich denken, dass es etwas mit ihnen zu tun hätte.
Die Landschaft der Basilika gleich einem Flickenteppich von Feldern, einzeln stehenden Häusern und Wäldchen, die sich an Hügel und Berge schmiegen.
Als ich in eine kleine Straße einbiege, hält ein Opi neben mir. Er sagt, weiter oben ist die Straße gesperrt, umgefallene Bäume machen eine Durchfahrt unmöglich. Er schaut sich meine Strecke an und sagt ganz oft salire (hochfahren) und scendere (runterfahren). So oft, dass ich mir denke, ok, vielleicht versuche ich doch eine andere Strecke und ein anderes Ziel für heute anzuvisieren.
Während wir uns unterhalten, stoße ich (mal wieder) gegen die Pedale. Diesmal hat es ein Blutgefäß an der Ferse getroffen, das suppt die ganze Sandalette voll.
Ich fahre in einem Rhythmus, der mir angenehm erscheint. Unterbrochen von kurzen Trinkpausen geht es durch eine dünn besiedelte Gegend. Wenn die Schultern beginnen zu schmerzen oder die Hände einschlafen, mache ich Gymnastikübungen direkt auf dem Fahrrad und während der Fahrt.
Oder fotografiere Insekten.
Oder Pflanzen.
Als ich an einer Bar halte, um einen Espresso zu trinken, merke ich gleich, wie hier abseits der touristischen Zentren die Menschen viel offener und neugieriger sind. Eine Oma fragt, ob Lipsia in Amerika ist und stellt mir ihren Sohn und die Enkelin vor. Nach diesem sehr kurzen Gespräch reicht sie mir die Hand. Arrivederci.
Um nach Tricarico zu gelangen, fahre ich zwölf Kilometer bergauf. Aber schön, mäßige Steigung und hohe, dichte Bäume (Schatten).
Oben angelangt, gibt es keinen Campingplatz und alle Zimmer sind preisintensiv (ab 35 Euro). Ich frage rum und tatsächlich hat ein Opa eine Telefonnummer von einem amico mit Camper-Stellplatz in der Nähe, ich darf dort mein Zelt aufbauen. Es gibt keine Toilette und keine Dusche, aber Trinkwasser und einen Gartenschlauch, mit dem ich den ganzen Schweiß des Tages abbrausen kann.
Ich nehme Magnesium ein. Nur ein Mal, ganz am Anfang, hatte ich in der Nacht Krämpfe in den Beinen. Seitdem achte ich mehr auf die Zufuhr von ausreichend Mineralien. Dass ich bisher immer gut, gesund und angenehm fahren konnte, hat, auch wenn ich es nicht überprüfen kann, sicher auch mit dem weitgehenden Verzicht auf Fast Food zu tun.
Im Dorf weiter unten bellen die Hunde, Kuhglocken läuten und am Himmel glitzern die Sterne. Morgen geht es weiter, zügig in Richtung Salerno.