Eine Weisheit des Salento besagt: „Va’ dove ti porta il vento.“ (Gehe da hin, wohin der Wind Dich trägt.) Je nachdem, ob gerade der Tramontana aus dem Norden oder der Sirocco aus dem Süden bläst, ist es besser ans Ionische oder ans Adriatische Meer zu fahren. Derzeit weht der Wind aus dem Norden, wie gut, dass das zu meinen Plänen passt. Das Ionische Meer, das sehe ich später, ist tatsächlich trotz Böen ganz ruhig und hat kaum Wellengang.
Heute Nacht funktionierte plötzlich meine Zimmerkarte nicht mehr. Ohne irgendetwas (wie zum Beispiel Handy, Portmonee) stand ich im Gang vor verschlossener Tür. Die Rezeption unbesetzt und auf mein Klopfen an Türen reagierte niemand (es gab sowieso neben mir nur noch einen anderen Gast im Hostel). Der Computer der Rezeption, an und ohne Passwort. Bei Booking.com einloggt, um die Telefonnummer des Hostels rauszufinden und mit dem Festnetz auszuprobieren. Und tatsächlich gibt es kein Besetztzeichen, sondern irgendwann eine verwunderte Stimme am Apparat. Kurze Zeit später trifft der Hausmeister, ein junger Inder, ein und händigt mir eine neue Karte aus.

Kurz nach zehn starte ich. Auf überwiegend kleinen Wegen geht es die ersten 35 Kilometern bis ans Meer. Die Sonne brennt und obwohl es nur 32 Grad sind, habe ich das Gefühl gleich zu verglühen. Ich trinke Wasser was das Zeug hält, über vier Liter werden es heute insgesamt. Aufs Klo muss ich die ganze Zeit nicht, wird alles direkt rausgeschwitzt. In Sekundenschnelle verdunstet der Schweiß, Haut und Zunge genauso forztrocken wie alles um mich herum.

Neben den alten Trinkwasserstellen gibt es in den Dörfern jetzt auch öffentliche Trinkwasserautomaten. Manche funktionieren nur mit Anwohnerkarten, aber bei manchen bekommt man auch für fünf Cent einen Liter des kühlen, wertvollen Nasses.
Von gestern habe ich noch etwas Salat übrig. Ich habe auch Lupinen hinzugefügt, die man hier eingelegt in einer Salzlake im Kühlfach der Supermärkte findet.

Die Hülsenfrüchte gehören ungefähr zu dem besten, was (nicht nur) Sportler und Vegetarier essen können: sehr hoher Eiweisanteil und alle essenziellen Aminosäuren, viele Mineralstoffe und ein paar Vitamine drin.
Zwei Eidechsen, eine große und eine kleine. Die Große versucht die Kleine in den Schwanz zu beißen, eine wilde Verfolgungsjagd, süß.
In Torre Lapillo möchte ich gleich ins Wasser, aber am Sonntag ist der öffentliche Sandstrand übervoll mit Familien.

Ein paar hundert Meter weiter, erreichbar nur über einen kleinen holprigen Trampelpfad, sieht es schon ganz anders aus.

Eine kleine Bucht, nur für mich. Ich bin zu faul, den Badeanzug anzuziehen, und so stehe ich nackig für viele Minuten einfach nur regungslos im kühlen Meer. Kleine Fische knabbern an meinen Füßen, das kitzelt. Kurz raus sonnen, aber dann auch gleich wieder rein.
Halb vier fahre ich weiter, schließlich möchte ich ja auch ein bisschen vorwärts kommen.
Ich durchquere ein Naturschutzgebiet, in dem ich den Mund geschlossen halte, damit die Insekten nicht reinfliegen.

Die Dünen und der Strand gefallen mir hier so gut, dass ich beschließe kurz vor fünf abzubrechen und den nächsten Campingplatz anzusteuern.
Dort stehen ansonsten nur Wohnwagen mit älteren Menschen drin, aber egal. Als ich das Zelt aufgebaut habe, suche ich Trinkwasser und finde keins. An der Rezeption möchte man mir eine Plastikflasche für einen Euro verkaufen. Durstig wie ich bin, bekomme ich einen Wutanfall und sage, dass es ja wohl nicht abgehen kann, dass sie hier kein Trinkwasser zum Abfüllen haben. Ich stürme raus, die Angestellte läuft mir hinterher und möchte mir das Wasser schenken. Aber ich lehne ab und fahr zur nächsten Zapfstelle im Dorf, um meine Flaschen neu aufzufüllen.
Am Meer ist es traumhaft.

Sonnen, baden und rumliegen, bis die Sonne auch ganz sicher untergegangen ist.

Morgen werde ich weiter am Meer entlang in Richtung Taranto fahren, wahrscheinlich nicht so weit, weil noch ein bisschen das Meer genießen, das muss einfach sein.
Liebe Juliana,
super gerne lese ich immer wieder Deine Berichte!
Schön, so direkt etwas von Deinem Abenteuer mitzubekommen.
Zwei kleine Fragen, die ich mir immer wieder stelle:
1. Wie geht es Deinen Sitzknochen?
2. Wenn Du zum Beispiel schwimmen gehst – ist Dein Gepäck dann am Fahrrad angeschlossen?
Ganz liebe Grüße und eine gute und sichere Weiterfahrt! Miriam
Oh Miriam,
Jippy, du liest also auch mit. Wie gern denk ich an unser Treffen in Bonn zurück …
Nun zu den Fragen:
Dem Sitzknochen geht es gut, was wahrscheinlich daran liegt, dass der Ledersattel gut einfahren ist.
Das Thema Diebstahlschutz beschäftigt mich auch immer wieder, denn es ist schier unmöglich die Taschen immer an- oder gar zuzuschließen. Ich mach es so: das Fahrrad angeschlossen an Orten abstellen, wo mehrere Menschen(gruppen) rumstehen oder sitzen. Das sorgt für soziale Kontrolle untereinander, so der Gedanke. Ich nutze auch gern Orte mit Videoüberwachung. Wenn möglich, beauftrage ich Menschen, die gerade z.b. zufällig vor dem Supermarkt rumstehen und warten. In den Unterkünften frage ich nach, für wie sicher sie es hier einschätzen und verlasse mich auf Tips zum Abstellen.
Ich habe alles doppelt: zwei Geldkarten, zwei Bargeldbestände, zwei Mobiltelefone, zwei Schlüssel fürs Fahrradschloss. Vom Perso und der AOK-Karte habe ich Kopien. Die Wertsachen versuche ich immer getrennt voneinander aufzubewahren und z.B. irgendwo ganz tief in Taschen zu verstecken. Das Wertvollste, der Perso und die Kreditkarte (sowie 50 Euro Notreserve), habe ich in einem kleinen Seidenbeutel, der sich fast immer unter der Kleidung, direkt zwischen meinen Brüsten befindet :).
Nun, aber trotz dieser ganzen Maßnahmen muss und möchte ich auch sehr oft einfach ins Vertrauen gehen und aufs Gefühl hören (man spürt irgendwie sofort, wenn es irgendwo unsicher ist). Bisher ist alles gut gegangen, bitte Daumen drücken, dass es so bleibt :).
Ciao, ciao e tanti baci!
Daumen sind gedrückt ☺️
Ganz liebe Grüße!
👍👍👍