Fast den ganzen Tag verbringe ich im Hostel. Lange schlafen, essen, schreiben, das Fahrrad putzen. Die Fenster geschlossen und verdunkelt, damit die Hitze draußen bleibt. Ich lade die App Park4Night runter, in der kostenlose Stellplätze eingetragen und kommentiert sind. Vielleicht ist ja auch was fürs Zelten dabei.
Die verdreckte Kleidung stopfe ich in eine der großen Radtaschen und gebe sie in einer Wäscherei ab. Für acht Euro bekomme ich sie zwei Stunden später duftend, gebügelt und zusammengelegt wieder.
Das Centro Storico ist genauso traumhaft wie früher: ein großer, abgeschlossener Stadtkern, enge Gassen, die Häuser aus weichen, hellgelben Tuffstein, der langsam verwittert. Durch Wind und Wetter sind in den Fassaden Muster entstanden, die alles ein bisschen morbide erscheinen lassen.
Dazu der berühmte Lecceser Barock, hinter jeder Ecke eine reich verzierte Kirche. In den Gassen unzählige Einwohner*innen und ein paar Touristen, die gerade einen Giro machen und das Leben genießen.
Freisitze, Gelaterien, Pasticcerien, Cafés, Bars, Galerien und Straßenmusik. Noch immer darf man mit dem Fahrrad in der Innenstadt fahren, was die meisten auf alten, langsamen und bequemen Stadträdern tun. Die Säule des heiligen Oronzo am Amphitheater, Treffpunkt für die botellón (span. Trinkgelage) der Erasmus-Studenten, wird gerade saniert. Große Teile der Innenstadt werden inzwischen videoüberwacht.
Ich gehe in eine Rosticceria und hole mir einen Rustico, ein nur in Lecce vorkommendes, herzhaftes Gebäck aus Blätterteig mit Cremefüllung und einer Tomate drauf. Fettig und ungesund, aber lecker.
Die Euro-Bar, wo es das Bier für einen Euro gab und vor der immer eine große Traube von Menschen stand, gibt es nicht mehr.
In einer Piadinaria wird jetzt auch Saitan angeboten, aber ich wähle eine Piadina mit tre verdure.
Als ich gerade auf die Zubereitung warte, taucht die Polizei auf, die vom Chef mit freundlichen und großzügigen Worten umworben wird. Er müsse ja leider immer so viel arbeiten, aber sie sollen doch gern mal wieder vorbeischauen, falls irgendetwas sein sollte. Mit den spontan auftauchenden Ordnungshütern, das habe auch ich schnell gelernt, stellt man sich lieber gut. Vor allem mit den Carabinieri, den Angehörigen der Militärpolizei.
Ich fahre zu dem Haus, in dem wir, eine bunte Gruppe von Student*innen aus Deutschland, Polen, Spanien und Portugal, das erste halbe Jahr gewohnt haben. Es ist inzwischen ein Hostel, hätte ich ja auch da übernachten können.
Das erste Mal in meinem Leben sehe ich an einer Wand einen Gecko hängen. Auch wenn wir im und ums Haus oft irgendwelche Tiere gefunden haben, die schifo (Eckel) verursachten (zum Beispiel Kakerlaken, lange, schwarze Würmer, überdimensionale Kröten und Skorpione), bin ich nie einem Gecko begegnet. Michela sagt aber, sie waren schon immer da, früher noch mehr, heute weniger.
Auf dem Rückweg gehe ich noch in die Cornetteria di notte, ein Pasticciotto holen.
Ein Mürbeteiggebäck, gefüllt mit Zitronen- oder Schokoladencreme und eins der unzähligen regionalen Spezialitäten.
Vollgefüttert und müde falle ich kurz vor zwölf ins Bett. Morgen werde ich mich hier weiter ausruhen und ordnen, bevor ich am Sonntag wieder in Richtung des nahen Meers aufbrechen möchte.