Nachdem alles gepackt ist, Übernachtungsort absuchen. Look under the bed, look under the other bed … look again under the bed? Heute schaue ich besonders genau. Doch es taucht nicht auf, mein Armband. Wird wohl in irgendeiner der Taschen sein.
Draußen wechselt sich leichter Regen mit heftigen Schauern ab. Damit ich nicht sofort komplett durchnässt werde, warte ich kurz ab und mache Selbstauslöserfotos.
Die ersten elf Kilometer geht es nur bergauf. Immer wieder setzt für einige Momente heftiger Regen ein. Ich klemme mich dann unter Büsche und Bäume, so nah wie möglich an die Felswände neben mir. Trotzdem ist meine Jacke nach nur fünf gefahrenen Kilometern komplett durchweicht.
Mein Navigationsgerät (ein altes Iphone in spritzwasserfester Lenkerhaltung) habe ich vorsichtshalber in einer der Taschen verstaut. Als ich es irgendwann wieder raushole, kann ich es erst nicht und will es dann nicht glauben: bin ich gerade drei Kilometer in die völlig falsche Richtung gefahren? Bergauf? Mit diesen beschissenen Schauern? Na gut, wenigstens war ab und zu die Aussicht schön.
Bis nach Kator, so viel ist spätestens jetzt sicher, werde ich es heute nicht schaffen.
Ich biege in eine kleine asphaltierte Straße ein, nur zwei Meter breit. Schilder weisen auf verstreute Weingüter und Klöster hin. Nach einigen Kilometern entdecke ich unter mir eine kleine Klosteranlage mit Veranda. Zunächst ist niemand zu sehen, nur der angekettete Hund kläfft wie verrückt.
Ich wechsle T-Shirt und Jacke, finde das Armband wieder, packe das Essen aus. Als ich gerade den großen Tisch komplett mit meinen Dosen, Plastiktüten und Flaschen zugestellt habe, tritt neben mir ein Mann aus der Tür und erschreckt sich vor mir. Ich entschuldige mich. Er kann kaum ein Wort englisch, raucht und holt dann Teller und Messer. Von meinen Spezialitäten wie Tee, Brot, Käse, Datteln und Nüssen möchte er nichts. Als meine Thermoskanne leer ist, holt er neues heißes Wasser.
Auf meinem Smartphone sieht er sich meine Strecke an. Cetinje sagt er und nickt.
Als es gerade nicht regnet, fahre ich gestärkt und in trockener Kleidung los. Es geht hoch, hoch, hoch. Momente im Sonnenschein, dann kommen wieder Schauer und ich sprinte unter die nächstgelegenen Bäume.
Der Weg und die Landschaft um mich entschädigen für alles. Hier oben, so viel ist sicher, ist das Radfahrerparadies.
Nur wenige Häuser, steil abfallende Wände, Vögelzwitschern und viel Grün zwischen den grauen Felsbrocken. Sehr wenige Autos, kein Müll.
Als es gerade mal wieder mit einem Schauer losgeht, taucht vor mir am Weg eine hölzerne Hütte auf.
Auch wenn auf dem Zettel am Eingang ganz verschiedene Dinge wie Tee und Walnüsse aufgelistet sind, gibt es drin vor allem diverse Liköre zum testen und kaufen.
Ich mache es mir auf einem der Sessel gemütlich und entscheide, der Frau eine kleine Flasche Feigenlikör abzukaufen. Ein Mann fährt mit seinem Auto (kein Nummernschild) vor, zu dritt sitzen wir schweigend und Tee trinkend in der Hütte. Als der Regen nachlässt, fahre ich weiter.
Kurz vor dem acht Kilometer langen Anstieg nach Cetinje kommt mir ein Radfahrerpärchen entgegen. Die beiden Niederländer, Vater und Tochter, sind gerade auf dem Weg von den Niederlanden nach Georgien. Später dann möchten sie weiter in den Iran und nach Neuseeland. Wir geben uns gegenseitig Empfehlungen für die direkte Umgebung und tauschen Blogadressen aus. Die beiden sind mir sympathisch, sie sehen gut organisiert und fröhlich aus. Schade, dass es schon nach fünf ist und ich noch nicht weiß, wo ich heute übernachte.
In Cetinje gehe ich in das erste Hotel, was ich entdecken kann. Sport Hotel steht drüber, das Zimmer für 28 Euro. Im angrenzenden Restaurant, Einrichtung aus sozialistischen Zeiten und rauchende Männer. Der Sport besteht hier also vor allem darin, Sportsendungen anzusehen. Ich fahre weiter.
In einer Kneipe hilft man mir mit Internet aus und ich buche schnell ein Appartement in der Stadt. Glückstreffer, 17 Euro, Vollausstattung in der Küche, Fahrrad darf mit rein, großer Elektroheizer und direkt daneben ein Bioladen und weitere Geschäfte. Einkaufen, kochen, telefonieren, duschen, Wäsche waschen und trocknen, schlafen. Morgen weiter Richtung Kotor.
Good to read you made it to Cetinje!! We both found you so cool, doing this trip all by yourself, through the bad weather. It was great meeting you on the road. Be safe and enjoy your trip!!
All the best,
Kris & Ruud (the father & daughter from the Netherlands)
Thank you Kris & Ruud, have a good and safe ride!