Im Hostel Durrës kostet ein Platz im Achtbettzimmer neun Euro, ein Platz im Vierbettzimmer zehn Euro. In der Hoffnung, dass ich ein Zimmer für mich allein habe, habe ich einen Euro mehr gezahlt. Die Strategie ist aufgegangen.
Ich bin darüber besonders froh, weil ein etwa sechzigjähriger Russe aus einem der Achtbettzimmer mir im Hostel hinterherläuft und lauter uninteressante Dinge über seine Eheprobleme erzählt. Als er sagt, dass sein Herz höher schlagen würde, wenn er mich sieht, beginne ich damit jede seiner Äußerungen mit „please let me stay alone“ zu beantworten. Irgendwann lässt er von mir ab und wendet sich einer anderen Backpackerin zu, puuh.
In 116 km Entfernung gibt es am nordalbanischen Meer einen ökologisch ausgerichteten Campingplatz. Ich beschließe, eine weitere Nacht im Hostel in Durrës zu bleiben, um mich auf die weite Fahrt ausreichend vorbereiten zu können.
Ich stelle die mechanischen Scheibenbremsen nach, kontrolliere abermals alle Schrauben und versuche das vordere Schutzblech anders zu montieren, damit es nicht mehr auf einer Seite am Mantel schleift. Leider finde ich für das Schutzblechproblem keine Lösung und so werde ich weiterhin während der Fahrt gelegentlich dagegen treten. Dann schleift es für ein paar Kilometer nicht mehr.
Am Nachmittag mache ich mich auf in die Stadt und ans Meer. Durrës ist eine alte Hafenstadt, die wesentlich vom Tourismus lebt. Es gibt ein großes Amphitheater und ein römisches Forum. Vieles ist vom nahen Italien beeinflusst, unzählige Pizzerie und Gelaterie an der Strandpromenade, in den Cafés läuft italienische Popmusik. Noch sind wenige Touristen da, aber die Bars und Nachtklubs weisen darauf hin, das hier im Sommer einiges los ist.
Ich verlasse auf einem kleinen Weg in nördlicher Richtung die Stadt.
Hier draußen ist es absolut ruhig, ich genieße das Meeresrauschen, den Sonnenschein und die frische Brise.
An einem kleinen Strand stecke ich das erste Mal die Füße ins Mittelmeer, gar nicht so kalt das Wasser.
Zurück in der Stadt hole ich mir einen Fisch für das Abendessen. Die eine Verkäuferin kann sehr gut englisch und auch ein bisschen deutsch, da sie früher für Kodak International gearbeitet hat.
Sie und ihre Schwester sind verärgert über die albanische Politik, der Reichtum des Landes an Bodenschätzen und Naturprodukten schlage sich viel zu zaghaft im Wirtschaftswachstum und im Wohlstand der Bevölkerung wieder. Die gebildete Jugend wandere noch immer ins Ausland aus. Die beiden Schwestern verkaufen mir einen „Lakuriq merluc“, einen kleinen Kabeljau aus der Adria. Sie nehmen den Fisch für mich aus und geben Tipps für die Zubereitung. Ich soll ihn auf jeden Fall vor dem Braten mit Mehl bestäuben.
Um zu erfahren, wie schwer man ist, kann man in Albanien auf die Straße gehen. Dort wird das Wiegen des eigenen Körpergewichts als preisgünstige Dienstleistung angeboten. Für 10 LEK (8 Cent) stelle ich mich auf eine der Waagen. Genau 60 kg, alles im grünen Bereich.
Nun ordne ich noch ein bisschen meine Sachen und gehe früh ins Bett, denn morgen heißt es Langstrecke fahren.