Als ich am Morgen erwache, kann ich mich noch sehr genau an den Traumfetzen von soeben erinnern. Eine mir unbekannte Frau, mittleres Alters, wahrscheinlich ein DJane, ist wüstend und traurig, weil ihre Turntables kaputt sind. Auch wenn das nicht ich bin, der Blog ist inzwischen ein Teil von mir geworden. Nun kann ich plötzlich keine Beiträge mehr erstellen, fieberhaft suche ich nach der Ursache. Und finde sie auch. Webspace voll.
Heute möchte ich 98 km fahren, nach einer ebenen Teilstrecke von 25 km, gibt es einen Berganstieg von 6 km. Dann geht es in nur 5 km 400 m abwärts. Die verbleibenden 62 km sind überwiegend seichte Bergabfahrt gespickt mit kleineren Steigungen.
Als ich losfahre, beginnt es zu regnen, kurze Zeit später höre ich es hinter mir gewittern. Eine besondere Stimmung am türkisblauen See.
In Struga halte ich für Internet und sehe bei lightning map, dass die Gewitter derzeit nur in den östlichen Bergregionen unterwegs sind. Meine letzten Denar gebe ich für gesalzene Erdnüsse aus. Auf der Straße werde ich von der Polizei angehalten, Delegation des Prime Ministers, haben Vorfahrt.
Ich klettere die Berge hoch und befinde mich plötzlich schon an der Grenze. Ein Schild weist darauf hin, dass 2017 hier die Europäische Union in neue Grenzanlagen investiert hat. Die Einfahrt zum Kontrollposten jedoch, voll von tiefen Schlaglöchern, ich fahre Parcours.
Nach einem ausgiebigen Mittagessen oben auf dem Pass, ist es schon um drei. Noch über 60 Kilometer bis Elbasan. Zügig fahre ich die Serpentinen herunter, fiere dabei, am liebsten würde ich meine Handschuhe auspacken.
Am Straßenrand Gartenschläuchen, die Wasserfontänen in die Höhe spitzen. Was soll das denn hier? Und dann sehe ich es, die Einwohner*innen bieten vor ihrem Haus Autoreinigungsservice an. Der Schaum und die Lauge laufen die Straße runter.
Albanische Transporter mit deutschen Werbeaufklebern überholen mich. Die Häuser sehen hier merkwürdig aus, nackte, hohe Betonsäulen über mehrere Stockwerke, nur eins ist meistens bewohnt. Die anderen sind leer oder werden als überdachter, wandloser Abstellraum genutzt.
In der Regenrinne, neben dem Bordstein, eine Schildkröte. Ich hebe sie hoch, weiß jedoch nicht wohin mit ihr. Rechts geht es steil hoch, links der Abgrund. Nach 50 m eine Garage, davor Jugendliche. Sie nehmen mir die Schildkröte ab, bedanken sich und setzen sie weiter oben in ihrem Garten wieder aus.
Die Natur wandelt sich, das erste Mal auf der Reise sehe ich Agaven, Olivenhaine und Aprikosenbäume.
Als ich das Foto vom Bunker mache, fragt mich ein Mann freudestrahlend, ob er mich zu einem Hotel fahren soll. Ich antworte: „just cycling“ und er steigt wieder in sein Auto und fährt weg.
In Librazhd hebe ich 20.000 Lek (160 Euro) ab. In den anderen Ländern habe ich fast alles mit der Giro-Karte bezahlt (1 % Gebühren, guter Wechselkurs). Aber in Albanien, habe ich gelesen, zählt fast nur Bares.
Heute kann ich meinen Rückspiegel gut gebrauchen, denn durch den Buff und die Kapuze höre ich nicht, ob sich auf den steilen Straßen hinter mir Fahrzeuge nähern. So bin ich wenigstens vorbereitet, wenn gleich jemand an mir vorbei rauscht.
Als ich das Hostel erreiche, grölen mir zwei blonde, betrunkene Frauen entgegen. Eine Irin und eine Deutsche, sie bedrängen mich sofort mit ihren Fragen. Ich möchte jedoch einfach nur was essen, duschen, ausruhen. Als ich nur in knappen Sätzen antworte, beginnen sie auf englisch in der 3. Person über mich zu sprechen. Die Irin nennt mich ein Baby, sie sei eine Mutter und hätte jetzt mütterliche Liebe für mich. Am liebsten würde ich das kleine Haus mit dem Schlafsaal für acht Personen verlassen und mir ein Hotelzimmer suchen.
Am späteren Abend dann kommen noch weitere Backpacker, die beiden Blondinen scheinen jetzt ein wenig ausgenüchtert zu haben. Alle gemeinsam sitzen wir draußen im Garten, unterhalten uns und hören Musik auf YouTube an. Jede*r darf sich reihum einen Song wünschen. Wir hören, dass im Ort auch Live-Musik gespielt wird. Die Herbergsmutter sagt, da ist gerade eine albanische Hochzeit. Aber niemand von uns traut sich oder hat besonders Lust dort vorbeizuschauen.
Morgen geht es weiter in die Hauptstadt Tirana.